Roy Glashan's Library
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ROBERT HEYMANN

DER UNSICHTBARE
MENSCH VOM JAHRE 2111

Cover Image

RGL e-Book Cover
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Band 1 der Reihe
WUNDER DER ZUKUNFT
Romane aus dem dritten Jahrtausend


Ex Libris

Dies E-Buch-Ausgabe: Roy Glashan's Library, 2025
Version von: 2025-10-24

Bearbeitung: Matthias Kaether und Roy Glashan

Textquelle
Neuausgabe der 1909/10 erschienenen Roman-Reihe
• Der unsichtbare Mensch vom Jahre 2111
• Der rote Komet
• Die über und unter der Erde
• Die Seele des ägyptischen Priesters
1. Auflage 2018

Herausgegeben von:
Verlag Dieter von Reeken
Brüder-Grimm-Straße 10, 21337 Lüneburg

(Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers)

Alle von RGL hinzugefügte Inhalte sind urheberrechtlich geschützt

Link zu weiteren Werken dieses Autors


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Fotografie von Robert Heymann aus Band 1 der Originalausgabe.


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Unschlagseite 4 der vier Originalausgaben.
Band 5 und 6 sind nie erschienen.


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Umschlagseite 1 der Originalausgabe des Bandes 1
mit einer Zeichnung von Julius Schlattmann.


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Seite 1 (unpaginiert) des Bandes 1 der Originalausgabe

--*--

Vorwort

Die moderne Zeit hat neben neuen ethischen und sozialen Werten eine eigene Art geistiger Tätigkeit geschaffen. Der Gedanke der im wirren Trubel der Tageskämpfe erstarkten Realisten findet keine Befriedigung mehr in stiller Muße sonntäglicher Familienlektüre. Der Geist fliegt mit der Zeit; und wie alle Ideen ihrer Verwirklichung vorauseilen, in der Technik, der Industrie, dem Handel und der Politik, so auch in der Literatur. Düstere Probleme sind aufgeworfen worden. Das Grauen kroch in die Illusionen mit der Aussicht ins Unfassbare und doch Geahnte. Wohin?, heißt die Losung der Generation, die prüfend den Blick in eine von goldenen Verheißungen klingende Zukunft richtet. Man spekuliert und sinnt und schmiedet Hypothesen...

N u n  w o h l  h i e r  h a b t  i h r  e i n  B u c h  d e r  Z u k u n f t !

Es war mir nicht darum zu tun, Jules Vernes unzeitgemäßer Epigone zu sein. Nicht ein neues Buch zu denen wollte ich legen, die in phantastischen, kokettierenden Sentenzen das Gruseln des Backfisches suchen.

E. A.  P o e,  d e r  g r o ß e  A m e ri k a n er,  w a r  m e i n  Z i e l.

Die metaphysische Ahnung unserer Seele, ihre hellseherischen Hoffnungen und ihre Furcht, bizarre Launen nächtlich grauenvoller Träume, mathematisch sezierte Hypothesen riesenhafter Erwartungen — dies, das nur Empfundene, nie Versagte, Vorausgelebte wollte ich geben. Was Poe andeutete; was seine Zeit verlachte; was wir heute suchen; was wir wünschen und fürchten — hier lege ich es vor euch hin.

Doch keine Sorge. Ich wollte euch nicht mit wissenschaftlichem Witz langweilen. Wer nur zu lesen sucht, der lese. Wer aber hinüberträumen will in die funkelnde Zukunft, in jene Zeit der Erfüllung — oder der letzten Enttäuschung? — leuchtender Kulturen, in die letzte Dimension menschlich-göttlicher Spekulationen der unmöglichen Wahrscheinlichkeiten, der möge mir folgen auf dem Wege durch tausend Jahre. Eine lange Straße, doch ich hoffe, sie ermüdet nicht.

Der Verfasser

--*--

I.

Albert Spielhagen stand vor einem großen Spiegel, der von der linken Seite der Wand gebildet wurde. Diese, die ohnehin aus Glas bestand, war auf dem rückwärtigen Teil, der der Straße zugekehrt war, mit einer Quecksilberschicht überzogen.

Das glattrasierte Gesicht des etwa Dreißigjährigen ließ die intelligenten Züge, die durch das scharfgeschnittene Kinn einen ausgeprägten Charakter erhielten, voll zur Geltung kommen.

Es lag etwas Unheimliches sowohl in der vollständig schmucklosen Einrichtung des Zimmers, das lediglich mit altem Gerümpel und magischen Büchern angefüllt war, als auch in dem Äußeren und in den Bewegungen des jungen Mannes, der merkwürdigerweise vom Kopf bis zu den Füßen in schwarzes Trikot gekleidet war. Er tauchte von Zeit zu Zeit ein breites, pinselartiges Instrument in ein tönernes, großes Gefäß, das, wie man hätte meinen können, vollständig leer war.

In der Tat: Hätte ein heimlicher Beobachter seinen Augen die größte Anstrengung auferlegt, so würde er doch in diesem Tongefäß nichts gesehen und den Chemiker Albert Spielhagen füglich für einen Narren gehalten haben, als dieser den Pinsel von Zeit zu Zeit in dieses Gefäß tauchte und langsam, mit einer gewissen Vorsicht und Überlegung, während ein triumphierendes Lächeln seine schmalen, weißen Lippen umspielte, die Füße und Beine mit dem Pinsel überstrich.

Dabei sang er mit unterdrückter Stimme eine Melodie aus der neuen Operette, den Schlager der Saison: »Die sieben Todsünden der Frau von M.«

Dieses Tonstück, mit ganz neuer, eigenartiger, betäubender Instrumentation ausgestattet, hatte einen unerhörten Effekt auf das Ohr der Hörer erzielt. Sie hatte dem Komponisten in wenigen Tagen eine Million eingebracht, denn das neue Operettentheater am Wannseeplatz in Berlin war Abend für Abend von 15 000 Menschen gefüllt.

Es war die Folge eines ganz natürlichen und logischen Gedankenaufbaues, dass Albert Spielhagen sich in diesem Augenblick am meisten mit dem Komponisten besagter Operette beschäftigte. War Aeneas Markwald doch sein Freund gewesen, bis — ja, bis die sozialen Gegensätze die beiden Männer getrennt hatten.

Markwald war jetzt Aristokrat — GoldAristokrat — mehr, weit mehr also, als der junge Fürst Bismarck, von dem man behauptete, er erinnere sich mit Hilfe des geweckten Unterbewusstseins noch deutlich an die Eichen von Friedrichsruh.

Seinen Erinnerungen, die ein geschickter Hypnologe zu wecken gewusst hat, verdankte man auch die neuen Aufklärungen über die Jahre 1870—1910, deren Geschichtsbücher bei dem großen Berliner Brande von 1975, wo die Stadt von der Weidendammer Brücke bis zum Halleschen Tor samt dem Westen und den großen Bibliotheken in Asche gelegt worden, verloren gegangen waren.

An all das dachte Albert Spielhagen, während seine Gedanken blitzartig von Vorstellung zu Vorstellung sprangen. »Mein Gott«, dachte er weiter, »was musste das für eine Zeit gewesen sein, das neunzehnte Jahrhundert! Ohne Kraft, ohne Initiative, ohne Inspiration, sich erschöpfend in kleinlichen politischen und sozialen Reibereien, mit Frauen, von denen keine den raffinierten Luxus unserer Kultur und seine Leidenschaft besessen und um welche die Vormundschaft des Staates beständig einen Gürtel von Gesetzen gezogen hat. Man sagt zwar«, dachte Albert Spielhagen weiter, »seit das dritte Jahrtausend angebrochen ist, seien die Leidenschaften geringer geworden und die Liebe im Aussterben begriffen. Aber das hat man ja schon zu allen Zeiten gesagt.« Eine Leidenschaft jedenfalls war über alle anderen Empfindungen hinausgewachsen; sie hieß »das Gold«.

Es war eine Macht geworden, deren Gesetze in strahlender, unendlicher Größe am Firmament zu lesen waren und die Welt umkrallten. Und darum galt der junge Fürst von Bismarck, nach dem sogar die neue Lehre des Professors Wolter über das Unterbewusstsein und die ständig Wiederholung, resp. Unsterblichkeit des Spermas benannt worden war — hatte Bismarck doch im somnambulen Zustand ein genaues Bild des damaligen Kaisers Wilhelm II. mit Hilfe der Fernfotografie und einer durch selbst erzeugte Elektrizität getriebenen Membrane gezeichnet — darum also galt Bismarck nichts gegen Aeneas Markwald, den genialen Komponisten der neuen Operette.

G o l d,  G o l d  u n d  n o c h m a l s  G o l d !

Albert Spielhagen zog die dichten Vorhänge aus indischen Bambusfasern — der billigste Webstoff, den es noch gab, seit man keinen Hanf mehr zu pflanzen verstand — fest vor den Glaswänden zusammen. Er sah nicht, dass auf der rechten Seite, wo sein ärmliches Zimmer im 49. Stockwerk an das seines Nachbarn stieß, eine schmale, kaum bemerkbare Lücke geblieben war, die durch eine Stricknadel hätte ausgefüllt werden können. In diesem Zwischenraum aber funkelte ein unheimliches, gespenstisches Etwas von der Größe eines Märbels(*), in dem sich das elektrische Licht brach und splitterte. Es glitt auf und nieder wie eine Spinne, die ein Netz zieht, und verriet dadurch, dass es lebend war. Es sah aus wie eine Qualle, wie etwas Grausiges, Abscheuliches, bis es plötzlich sich förmlich kristallisierte und scheinbar starr und leblos wurde.

(*) »Märbel« ist eine alte Bezeichnung für »Marmel« oder »Murmel«; D. v. R. denn er war ein Mensch, der über alles nachdachte und gleichsam selbst immer die Stufenleiter seiner Gedanken kontrollierte.

Hätte Albert Spielhagen dieses unheimliche Etwas bemerkt, er wäre sicherlich zu Tode erschrocken. Aber er dachte nicht im entferntesten daran, auch nur einen Blick nach jener Stelle zu werfen. Die Vorhänge ließen kein Licht durch die Wände. Nur durch einen Reflektor, der direkt über seinem Kopf an der Decke angebracht war und in dem flachen Dache mündete, wurden die elektrischen Lichtwellen, die die ganze Stadt durchfluteten und den Himmel mit einem weißglühenden Gürtel umzogen, aufgefangen und in das Zimmer geleitet. Trotz des Winters und obgleich die Kraft der Sonne schon seit siebenundvierzig Jahren nachgelassen hatte, war nicht nur das Zimmer des jungen Studenten, sondern ganz Berlin vom Potsdamer Viertel bis über die große Vorstadt Eberswalde hinaus, wo sich die neuen Luftschifferkasernen erhoben, förmlich in einen Mantel wohliger, goldgewirkter Wärme gehüllt.

Berlin wurde elektrisch geheizt, und nicht nur Berlin, sondern alle Städte Deutschlands wurden durch die elektrische Kraftstation von Cuxhaven, die durch die Wasserkraft der Nordsee gespeist wurde, mit genügender Elektrizität versehen und zu gleicher Zeit erwärmt und beleuchtet. Die Häuser bestanden aus riesigen Eisengerüsten mit Glaswänden von etwa je einem Meter Durchmesser. So konnte man jedes Haus gleichmäßig erwärmen und erleuchten, ohne dass von den Bewohnern ein anderes Äquivalent verlangt wurde als die üblichen Steuern, die entsprechend dem Einkommen erhoben wurden.

Alle diese Gedanken schossen Albert Spielhagen durch den Kopf,

Er hatte überhört, dass an der Tür des ärmlichen Zimmers geklopft worden war. Manfred Holle, Genieoffizier im Stabe des Kommandos des 14. Luftpanzerkreuzers der deutschen Flotte war eingetreten, hatte die Tür hinter sich zugezogen, im gleichen Augenblick aber auch einen Schrei ausgestoßen, der doppelt schaurig und unheimlich war, weil der Offizier nicht den Eindruck machte, als sei er für unerwartete Außeneindrücke empfänglich. Aber dieses kraftvolle Gesicht, das ein gepflegter blonder Bart umrahmte, war so weiß geworden wie das Licht, welches das Zimmer durchströmte; seine Hände zitterten, seine Augen starrten mit einem verglasten Ausdruck auf Albert Spielhagen, und er wäre sicherlich ohnmächtig zusammengebrochen, hätte er sich nicht rechtzeitig auf einem Sessel niedergelassen.

Albert Spielhagen wollte seinem Freunde zu Hilfe eilen, aber dieser streckte im gleichen Augenblick beide Arme von sich und schrie mit gellender Stimme:

»Nein! Nein! Weg von mir! Habe ich plötzlich den Verstand verloren? Ist diese furchtbare Entdeckung eine Halluzination oder —«

Albert Spielhagen war ruhig auf seinem Platze geblieben. Die furchtbare Aufregung seines Freundes schien auf ihn keinen Eindruck gemacht zu haben. Er lachte, während seine großen, diabolischen Augen, die fast immer halb geschlossen waren, mit einem triumphierenden Ausdruck auf dem Offizier hafteten.

»Oder ist es Wirklichkeit — wolltest du doch sagen, lieber Manfred? Ja, ich kann dir versichern, deine Augen sind keiner Täuschung unterworfen. Oder doch, dass ich mich richtig ausdrücke: Deine Augen täuschen dich, ohne dass du dir deshalb Sorgen über die Richtigkeit deiner Gedanken zu machen brauchtest.«

Der Offizier hatte sich inzwischen etwas beruhigt. Ohne seine ursprüngliche Farbe wieder zu gewinnen, mit dem Ausdruck unverhohlenen Grauens, hatte er sich erhoben und starrte seinen Freund an.

»Aber — das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen — das ist furchtbar — ich sehe von dir nur den Leib und den Kopf und beides schwebt in der Luft. Ich sehe deutlich, dass sich die Umrisse des Oberkörpers scharf von dem hellen Hintergrunde abheben, aber die übrigen Teile deines Körpers verschwinden förmlich in dem durchsichtigen Nichts.«

Albert Spielhagen lachte von Neuem.

»Ich will dich über dieses Geheimnis aufklären, lieber Manfred, denn ich fürchte wirklich, du könntest den Verstand verlieren, wenn ich noch eine weitere Bewegung machen wollte. Ich bitte dich, deinen Mut zusammenzunehmen und neben mich zu treten. Nach deiner Ansicht werde ich nun zwar zum Tische schweben, ich versichere dich aber, dass ich auf ganz natürliche Weise, wie du selbst, dorthin treten werde, um dir mein Geheimnis zu erklären.«

Wirklich bewegte sich Albert Spielhagens Oberkörper auf eine ganz seltsame Weise zu dem Tische hin, die vielleicht, wenn Manfred Holle über das Wesen dieser unheimlichen Geheimnisses aufgeklärt gewesen wäre, seine Heiterkeit erweckt hätte. So aber trat er nur zögernd, mit offenkundiger Angst zu dem Tisch, wo sein Freund bereits damit beschäftigt war, ein Bündel von rätselhaften Pflanzen zu ordnen und einige Bücher auszubreiten, die mit allen möglichen Farben angefüllt waren.

»Zunächst, lieber Freund, schwöre mir bei deiner Ehre, dass du niemandem, aber auch niemandem ein Wort von meiner Erfindung verrätst«, begann Albert Spielhagen feierlich. »Du begreifst, was für mich auf dem Spiele steht. Millionen — ach, was sage ich! Milliarden werden in meine Tasche fließen! Nach der Erfahrung, die du in diesen wenigen Minuten gemacht, wirst du mir ohne Weiteres glauben, dass durch mich eine vollständige Umwälzung in der Kultur hervorgerufen werden wird. Ich möchte nicht gerade behaupten, dass meine Erfindung einen phänomenalen Einfluss auf die menschliche Technik haben könnte, aber die Kultur des dritten Jahrtausends wird in meinem Zeichen stehen, mein Freund. Ich wiederhole dir also, dass ich, wenn du auch nur meinen schwebenden Oberkörper siehst, leibhaftig vor dir stehe, wie jeden Tag, an dem du mich besuchtest. Ich habe ganz einfach meine Beine bis zu dem Teil meines Körpers, der deinen Augen sichtbar ist, mit dem Robrum überstrichen, wodurch deine Augen nicht mehr imstande sind, sie zu sehen. Du hast mich gerade dabei gestört, wie ich beabsichtigte, mich vollständig unsichtbar zu machen, und wärest du zehn Minuten später eingetreten, so würdest du vermutlich gleich wieder umgekehrt sein, überzeugt, ich sei schon ausgegangen, während ich dich in Wahrheit beobachtet hätte.«

Der Offizier war durch diese Aufklärungen weit weniger beruhigt als von Neuem aufgeregt worden.

»Aber das ist doch nicht möglich — das ist ja Wahnsinn, was du mir da erklären willst«, murmelte er. Er fand aber doch nicht die Kraft, weiter zu widersprechen, denn dem Eindruck dessen, was er in Wirklichkeit sah, konnte er sich unmöglich entziehen. Er fragte daher leise:

»Was ist das, das Robrum, von dem du eben gesprochen hast? Ich habe dieses Wort noch niemals gehört!«

Albert Spielhagen nickte.

»Das kannst du auch nicht, lieber Freund, denn das Wort ist ebenso meine Erfindung wie das, was es ausdrückt. Und doch wird es in kürzester Zeit in aller Leute Munde sein. Es wird keinen Menschen dieser Generation geben, der nicht voll Bewunderung von diesem Stoff und seinem Erfinder sprechen wird. Kurz und gut: Ich habe die Möglichkeit erfunden, die Materie unsichtbar zu machen. Durch mich wird es jedem Menschen möglich werden, sich dem Auge seines Mitmenschen zu entziehen und unsichtbar zu werden.«

Manfred Holles Brust hob und senkte sich rasch. Er erwiderte hastig:

»Das — lieber Freund — das — ist ein Unsinn! Nur ein Wahnsinniger —«

Aber Albert Spielhagen unterbrach ihn durch eine ungeduldige Handbewegung.

»Wir wollen uns nicht erst in langweiligen Erörterungen ergehen, lieber Freund, die zu keinem Ergebnis führen. Ich werde dir den Beweis meiner Erfindung liefern und verlange von dir nur, dass du schweigst. Versprichst du mir das?«

Der Offizier legte seine Rechte in die des Freundes und antwortete, ohne das heimliche Grauen aus seiner Stimme bannen zu können:

»Ich verspreche es.«

Während Albert Spielhagen unter den Pflanzen, die einen merkwürdigen, widrigen Geruch im Zimmer verbreiteten, mit den schmalen, langen und dürren Fingern wühlte, beobachtete ihn sein Freund von der Seite. In der Tat, Albert Spielhagen war dem jungen kräftigen Offizier in jeder Weise unähnlich. Sein blasses Gesicht wurde von den merkwürdigen, unnatürlich glanzvollen, in sich selbst zurückgesunkenen, halb geschlossenen Augen beherrscht und übte einen Einfluss aus, dem sich die wenigsten Menschen entziehen konnten. Auch in diesem Augenblick wurde sich Manfred Holle nicht klar, ob dieser Einfluss ein guter oder ein schlechter war. Er setzte sich in einen Sessel, und während er die Augen halb geschlossen hielt, hörte er Albert Spielhagens Erklärung an:

»Ich habe seit Jahren über die Möglichkeit nachgedacht«, begann dieser mit verschleierter Stimme. »Jahr und Tag und Nacht für Nacht ich daran gearbeitet. Theoretisch lag der Fall so klar wie möglich: Der menschliche Farbensinn kennt drei Grundfarben, wenn wir YoungHelmholtz Glauben schenken, nämlich: Rot, Grün und Violett. Demnach gibt es in der menschlichen Netzhaut, und zwar in der den bewussten gelben Fleck umschließenden Region, die allein vollkommenen Farbensinn besitzt, drei lichtempfindliche Fasern. Richten wir uns aber nach Aubert und Mach, denen Ebbinghaus widerspricht, so haben wir vier Prinzipalfarben, die von Leonardo da Vinci übernommen sind: Rot, Gelb, Grün und Blau. Die anderen Farbenempfindungen entstehen durch Vermischung dieser Grundfarben; Wundt erklärt diesen Hergang so: Er behauptet, dass in der Netzhaut zwei verschiedene Regungen sich abspielen, eine chromatische und eine achromatische. Sie werden durch die Zersetzung einer Substanz für sich hervorgerufen, die eine höchst komplizierte, chemische Beschaffenheit hat. Die Zersetzungsstufen dieser sind analog den Nuancierungen der Farbenempfindungen, so, wie sie die reinen Farben des Sonnenspektrums zeigen. Ich denke, bis hierher wirst du mir gefolgt sein.«

Der junge Offizier nickte.

»Solltest du dir nicht völlig klar sein«, fuhr Albert Spielhagen fort, ohne die Zustimmung seines Freundes abzuwarten, »so kannst du an Hand der Tafeln von OhleBulls chromatoptometrischer Tabelle, die die vier Grundfarben Rot, Gelb, Grün und Blau mit Grau gemischt enthält, die Gesetze des menschlichen Farbensinnes nachstudieren.

Indem ich von diesen wissenschaftlichen Tatsachen ausging, sagte ich mir: Angenommen, es gelingt, eine Farbe herzustellen, die weder mit einer dieser vier Grundfarben noch mit einer ihrer Mischungen identisch ist und ebenso wenig einen farblosen Lichteindruck darstellt, für den ja die Netzhaut in ihrer ganzen Ausdehnung empfindlich ist, so wäre damit eine Erfindung gegeben, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen würde. Diese Farbe nämlich wäre für das menschliche Auge nicht bemerkbar. Die Logik dürfte dir einleuchten.

Seit Generationen und abermals Generationen, vermutlich überhaupt seit der Existenz eines mit Intellekt ausgestatteten Lebewesens, dürfte das menschliche Auge nur für die vier Grundfarben und ihre Kompositionen empfindlich gewesen sein. Es ist also von vornherein ausgeschlossen, dass das Auge eine neue Grundfarbe sehen könnte. Ich habe nun diese neue Grundfarbe, die ich das Robrum nenne, gefunden. Meine Nachforschungen sind eigentlich das Ergebnis eines Zufalls gewesen, wie ich fast jede große, phänomenale Erfindung die Sache von Zufällen war.

Du weißt, dass ich erst vor einem Jahre von einem längeren Aufenthalt in Indien zurückgekehrt bin. Dort habe ich auf einem Ausflug im HimalajaGebiet eine Pflanze gefunden, die einerseits durch ihren widerlichen Geruch, andererseits durch ihre olivenartige Form und völlige Farblosigkeit mein Interesse erregte, da ich nie eine gleichartige gesehen hatte. Diese Pflanzen standen in einem kleinen Feld beisammen, und ich habe weder vorher noch nachher eine ähnliche gefunden. Ich nahm sie also mit und machte mich schon während der Reise daran, einige Exemplare für mein Herbarium zu pressen.

Während nun bei dieser Manipulation der Saft jeder Pflanze eine bestimmte Spur zurück lässt, die sich dem menschlichen Auge in irgendeiner Farbe verrät, war das bei der RobrumBlüte nirgends der Fall. Und doch hatte ich die unbestimmte Empfindung, dass gerade diese eine Farbpflanze war. Wir kennen ja deren eine ganze Reihe; so wird aus der Rubia tinctorum ein glänzendes Rot gewonnen, desgleichen aus der Lizari, die vorzugsweise in der Levante kultiviert wird. Außerdem liefern die Wurzeln der ostindischen Rubia cordifolia L. und Oldenlandia umbellata gleichfalls ein sehr schönes Rot. Die ebenfalls in Ostindien, Ceylon und Java kultivierten CorcumeWurzeln enthalten einen gelben Farbstoff; du hast sicherlich noch nicht daran gedacht, wenn du einen Chartreuse zu dir nahmst, dass du zugleich einen Farbstoff dieser Wurzel eingeschlürft hast. Doch wir wollen nicht länger bei diesen Betrachtungen verweilen. Die Entdeckung, die ich machte, versetzte mich in eine Art Fieber. Chemisch konnte ich nachweisen, dass diese Pflanze bei der Pressung in der Tat einen Saft von sich gab, aber diesen Saft konnte ich mit meinen Augen, selbst wenn ich alle mir zu Gebote stehenden Hilfsmittel benutzte, nicht entdecken.

Warum soll ich dich mit der Herzählung aller meiner Experimente langweilen? Ich habe im Laufe des letzten Jahres nach langen Mühen und Versuchen eine zähe Flüssigkeit hergestellt, die ich mit Hilfe eines Pulvers, von dem ich bereits eine große Quantität im Vorrat habe, gewann. Sobald ich mit dieser Flüssigkeit meinen Körper bestreiche, wird er für jedermann unsichtbar; bei dieser Beschäftigung hast du mich gestört. Ist dir nun alles klar?«

Der junge Offizier hatte mit wachsendem Staunen und immer größerer Erregung zugehört, während das Grauen, welches das Unfassbare in ihm hervorgerufen hatte, mehr und mehr verschwand.

Er geriet in einen Zustand des Enthusiasmus, in welchem er seinem Freund die unfassbaren Vorteile erklärte, welche diese Erfindung für Kriegszwecke haben musste. Es war also dann möglich, dass ganze Armeekorps sich dem Feinde näherten, ohne von diesem beobachtet werden zu können.

Nachdem die beiden Freunde noch verschiedene Hypothesen besprochen, kamen sie überein, dass Albert Spielhagen an diesem Abend zum ersten Male seine Erfindung praktisch verwerten sollte. Manfred Holle wollte ihn erwarten, denn er war äußerst begierig, zu erfahren, welche Abenteuer sein Freund als unsichtbarer Mensch erleben würde.

Der junge Erfinder vollendete also seine seltsame Toilette und war in weniger als zehn Minuten für das Auge des Offiziers, der sich nun wiederum trotz aller Logik eines heimlichen Grauens nicht erwehren konnte, vollständig unsichtbar. Manfred Holle blieb mit seltsamen Empfindungen in der Wohnung seines Freundes zurück, während dieser leise, um seine Wirtin nicht von seinem nächtlichen Streifzug zu verständigen, die Tür öffnete und wenige Minuten später im Lift zur Straße heruntersauste.


II.

Als sich Albert Spielhagen mitten unter der hin und her wogenden Menschenmenge befand, welche die Wannseestraße füllte, da konnte er es sich nicht versagen, alle die Menschen, die an ihm vorüberfluteten zu fixieren; denn er hatte das unbestimmte Gefühl, als müsse er jedem, der an ihm vorüberging, ganz besonders auffallen, als müsse ihn jeder halb verwundert, halb verblüfft betrachten. Was für den jungen Erfinder theoretisch selbstverständlich war, das setzte ihn jetzt in der Praxis unwillkürlich in Erstaunen, bis er endlich seine Sicherheit gewann und sich nun damit abfand, dass wirklich kein Mensch auf der Straße imstande war, ihn zu sehen.

So drängte er sich durch die Menge, welche um diese Zeit — es war etwa 9 Uhr abends — die Straße füllte. Ein paar Mal hatte er allerdings das Malheur, gegen jemanden zu stoßen; wenn sein Körper auch unsichtbar war, so war nichtsdestoweniger die Materie vorhanden, und die Tatsache, dass diese Menschen sich mit mehr oder weniger geistreichem Gesicht und unbeschreiblicher Verwirrung nach dem Gegenstande umsahen, den sie gefühlt, aber nicht sehen konnten, erfüllte Albert Spielhagen mit nicht geringer Heiterkeit. Er trieb schließlich seine Verwegenheit so weit, auf einen der elektrischen Omnibusse zu steigen, welche mit unheimlicher Geschwindigkeit in einem Schienennetze, das Berlin überspannte, dahinflogen. Er fuhr also zu der Höhenbahnhaltestelle empor und kletterte auf das Verdeck eines dieser riesigen Fahrzeuge, die infolge der fabelhaften Fahrpreisbilligkeit fast immer überfüllt waren. Mit einer Leichtfertigkeit, die dem sonstigen Charakter Albert Spielhagens gar nicht entsprach, setzte er sich auf einen leeren Platz und begann, die letzte Ausgabe des ›Reichsblattes‹ zu entfalten, die er in der Innentasche der Trikots verwahrt hatte.

Zu seinem nicht geringen Erstaunen entstand augenblicklich auf dem Verdeck des Omnibusses eine ungeheure Panik. Links und rechts von ihm flohen zwei Damen schreiend und hilfeflehend zu der Brüstung, während die übrigen Passagiere entsetzt emporsprangen und die meisten augenblicklich nach der Treppe eilten. Albert Spielhagen, der durch die Lektüre des Blattes, in die er sich vertieft, ganz und gar seine momentane Unsichtbarkeit vergessen hatte, stand nun gleichfalls auf und suchte die eine der beiden Frauen zu beruhigen, die in wahnsinnigem Entsetzen auf seine Zeitung starrte. Dadurch aber, dass er auf sie zuging, erkannte diese nun mit unbeschreiblichem Grauen, dass die geheimnisvolle Zeitung sich ihr näherte, und sie verschwand augenblicklich mit einem markerschütternden Aufschrei über der Brüstung des Omnibusses, von dem sie abgesprungen war. Da dieser Wagen ungefähr in einer Höhe von 300 Metern über den Straßen dahin sauste, blieb die Unglückliche natürlich mit zerschmetterten Gliedern unten liegen.

Inzwischen war aber durch diesen Vorfall die Panik auf dem Verdeck des elektrischen Wagens auf die Spitze getrieben worden. Es war ein Glück, dass die Treppe zu dem Parterre in einem mächtigen Vorbau endigte, denn sonst hätte dieses leichtsinnige Abenteuer Albert Spielhagens sicherlich noch weitere Menschenleben gefordert. So gab es nur einige Löcher in den Köpfen, blutige Nasen und Schrammen, denn alle Passagiere des Verdecks kamen mit einer Schnelligkeit im Parterre des Wagens an, die nicht beschrieben werden kann.

Dort unten hatten natürlich weder die Insassen des Wagens noch der Führer eine Ahnung von dem was vorgefallen war. Als sich endlich der aufgeklärte Schaffner nach Anhörung der übereinstimmenden schrecklichen Berichte selbst nach oben begab, da hatte ein Windstoß Albert Spielhagen die Zeitung aus der Hand gerissen, und er begab sich unbeanstandet, ohne von jemandem gesehen zu werden, die Treppe hinab und verließ bei der nächsten Haltestelle den Wagen, während nicht weniger als drei Passagiere des Verdecks vorläufig in die psychiatrische Klinik überführt werden mussten.

Dieses Abenteuer hatte ein begreifliches Gefühl des Unbehagens in Albert Spielhagen zurückgelassen. Da das Ziel seines Ausfluges, nämlich die Wohnung Rita Thüngens, mit der er seit seiner Rückkehr aus Indien verlobt war, im Westen Berlins lag, so hatte er noch eine riesengroße Strecke vor sich. Er stieg wieder auf die Straße hinab, die, eine der schmalsten von Berlin, eine Breite von dreißig Metern hatte, begab sich zu dem Standplatz der elektrischen Motoren, öffnete den Schlag eines Automobils und sagte zu dem Chauffeur:

»Tiergartenstraße 87.«

Der Chauffeur riss den Kopf herum, sah sprachlos in die Luft, murmelte etwas wie einen unterdrückten Fluch und schlug mit der ausgestreckten Hand die Tür seines Coupés wieder zu. Er hatte sie Albert Spielhagen unsanft aus der Hand gerissen, und dieser öffnete sie nun wieder zornig von Neuem, was zur Folge hatte, dass der Chauffeur plötzlich von seinem Sitze sprang und schreiend auf einen Schutzmann zueilte, von dem er eine Aufklärung des seltsamen Phänomens verlangte. Der Schutzmann näherte sich halb lachend, halb kopfschüttelnd dem geheimnisvollen Automobil, indem er dem Chauffeur einen Vortrag hielt, der im Prinzip darauf hinauslief, er möge einem AbstinenzlerVerein beitreten. Nun versuchte er die Tür des Automobils zu schließen. Albert Spielhagen aber, der über eine ungewöhnliche Kraft verfügte, hielt sie fest in der Hand und schrie zornig:

»Zum Donnerwetter! Ich wünsche Tiergartenstraße 87 zu fahren!«

Wären plötzlich die Posaunen des jüngsten Gerichtes ertönt, so hätte die Wirkung auf den Schutzmann und auf den Chauffeur keine größere sein können. Beide machten augenblicklich kehrt und entflohen, während Albert Spielhagen ärgerlich den Schlag zuwarf und sich zu dem nächsten Automobil begab, dessen Türe öffnend, was zur Folge hatte, dass plötzlich alle Chauffeure heulend ihre Kraftwagen verließen und fortliefen.

Albert Spielhagen erinnerte sich endlich, dass er es sich selbst zuzuschreiben hatte, wenn kein Chauffeur ihn an sein Ziel bringen wollte. Er entschloss sich daher, den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen. Es war gegen 11 Uhr abends, als der junge Erfinder vor einem stillen Hause stehen blieb, welches Eigentum der Eltern seiner Braut war. Eigentlich wusste noch niemand, dass Albert Spielhagen mit Rita Thüngen verlobt war, denn bis jetzt hatte er nur die Zusage des jungen Mädchens gewonnen; der Verwirklichung seiner Pläne hatten sich bisher scheinbar unüberwindliche Hindernisse in den Weg gestellt.

Rita Thüngen war eine Schönheit. Ohne ausgesprochen regelmäßige Züge zu besitzen, zeichnete sie sich durch jene Pikanterie in der Erscheinung aus, die eigentlich nur durch ihre Augen, ihr Lächeln und ihren Gang zum Ausdruck kam. Sie war mittelgroß und besaß eine zierliche Figur, die durch ungemein anziehende Bewegungen gewann. Ihre Augen waren groß, belebt, frisch und ausgestattet mit jenem Zauber unmittelbaren Reizes, den die Leidenschaftlichkeit ihres Charakters und die leichte Erregbarkeit ihres Herzens hervorrief.

Sie zählte zu den reichsten Erbinnen Berlin und hatte Albert Spielhagen anlässlich eines Ausfluges in die bayrischen Berge kennengerlernt.

War es das faszinierende Wesen des jungen Chemikers oder das, was man die Liebe auf den ersten Blick nennt — genau, Rita Thüngen stand von der ersten Begegnung an unter dem Banne des jungen Mannes, der hinwiederum das Mädchen mit einer Leidenschaft liebte, die für nichts anderes mehr Raum in seinem Herzen ließ als den Wunsch, die Geliebte durch eigene Kraft sobald als möglich als Gattin heimführen zu können.

Seit Wochen hatte der junge Mann seine Braut nicht mehr gesehen, denn einerseits hatten ihn seine Experimente fast stets zu Hause festgehalten, andererseits konnte Rita Thüngen über ihre Zeit nicht nach Belieben verfügen, wenigstens nicht insofern, als es sich um heimliche Zusammenkünfte mit dem Geliebten handelte.

Der Besuch, den Albert Spielhagen zu vorgerückter Abendstunde unter so außergewöhnlichen Umständen seiner Braut abstattete, hatte also für ihn einen doppelten Reiz:

Einerseits konnte er die Geliebte wiedersehen, dem Zauber ihrer Stimme lauschen, anderseits blieb er zu gleicher Zeit von ihr selbst unbeobachtet, war also in der Lage, sie von einer Seite kennenzulernen, die ihm bisher selbstverständlich verschlossen geblieben war.

Es verging wiederum eine Viertelstunde, während welcher der junge Mann, an die Tür gedrückt, das Erscheinen irgendeiner Person abwartete, welche das Haus betrat oder verließ. Der Kammerdiener des Kommerzienrats Thüngen, welcher endlich aus dem Hause trat, hatte natürlich keine Ahnung, dass zu gleicher Zeit ein Unbekannter in das vornehme und luxuriös ausgestattete Vestibül huschte. Albert Spielhagen durchschritt die im RenaissanceStil gehaltene Vorhalle, stieg die breiten, teppichbelegten Stufen empor und verharrte einige Augenblicke überlegend am Ende der Treppe, denn eine Flucht von Zimmern, von denen eines vornehmer ausgestattet war als das andere, verwirrte ihn.

Plötzlich vernahm er ein Stimmengewirr, aus dem sich dann und wann ein einzelnes Lachen loslöste. Etwa ein Dutzend Herren und Damen befand sich in zwangloser Unterhaltung in einem großen Gesellschaftsraume, in dessen riesigen Spiegeln die Farben der orientalischen Diwans und Teppiche ineinander glitten.

Albert Spielhagen wollte eben in dieses Zimmer treten, da er vermutete, die Geliebte dort zu finden, als einige Akkorde aus dem nächstgelegenen Raume an sein Ohr drangen. Durch die halb geöffneten Portieren war dem jungen Mann ein Blick durch die Glaswand in dieses Gemach gestattet. Es war geschmückt mit Reliefs und Totenmasken alter Meister der Musik. Ein paar vergilbte Lorbeerkränze sollten jedenfalls dem Zimmer eine Intimität verschaffen, die ihm abging und zu der der riesengroße Flügel, der den halben Saal einnahm, keineswegs beitrug.

Über die Tasten glitten die weißen, schmalen Hände Rita Thüngens. Sie hatte das feingeschnittene Köpfchen etwas zurückgeworfen, sodass die roten, schimmernden Haare in den Nacken geglitten waren. Ein elegantes Gesellschaftskleid aus Palmfasern umschloss die zierliche Gestalt. Sie sang mit einer weichen, melodischen Stimme, die zwar für einen größeren Raum nicht ausreichte, aber durch ihre Modulation bestrickte, das Wiegenlied eines modernen Komponisten. Albert Spielhagen war erst an die Glaswand getreten und hatte durch die Öffnung geblickt. Dann eilte er impulsiv zur Tür, öffnete sie und trat in das Zimmer.

Rita Thüngen hatte mit einem schrillen Akkord abgebrochen und wandte nun ihr Profil nach einer Ecke, wo sich zu gleicher Zeit eine dunkle Gestalt erhoben hatte.

»Ah, Mr. Paw, bemühen Sie sich nicht — es ist mir unbegreiflich, wie die Tür sich von selbst hat öffnen können.«

Der Angesprochene, ein junger Amerikaner von vielleicht neunundzwanzig Jahren, schritt schweigend auf die Tür zu, schloss dieselbe und sagte lächelnd:

»Vielleicht ist etwas eingetreten, Miss Thüngen, das unsere Augen nicht sehen können, das unsere Seelen aber umso deutlicher fühlen!«

Er ging nicht auf seinen Platz zurück, sondern blieb dicht hinter dem jungen Mädchen stehen. Ihre Hände glitten zögernd, unruhig, verwirrt über die Tasten, während sie nicht wagte, zu ihm empor zu sehen.

»Was sollte das sein?«, fragte sie lächelnd, während eine tiefe Röte ihre Wangen überflog.

Mr. Paw, der ohne Zweifel im Einverständnis mit dem jungen Mädchen handelte und sicherlich schon seit Langem ein gern gesehener Gast in diesem Hause war, beugte sich zu ihr nieder. Während er mit einer plötzlichen Bewegung nach ihrer Hand haschte, sagte er leise:

»Die Liebe, Miss Thüngen.« Und dann fügte er diesen Worten eine Reihe anderer hinzu, die sich geschmeidig und vornehm wie eine Reihe von Perlen aneinander hefteten. Das junge Mädchen ließ die leise gesprochenen Schmeicheleien an sich vorübergleiten, ohne Mr. Paw ihre Hand zu entziehen. Ihre Gestalt schien kleiner zu werden, ein dürstendes Lächeln leuchtete auf den vollen, korallenroten Lippen, und die hellblauen Augen nahmen eine tiefe, dunkle Färbung an. Mr. Paw schien etwas gefragt zu haben, was Albert Spielhagen nicht verstehen konnte, obgleich er mitten im Zimmer stand. Rita Thüngen sank förmlich in die Arme des jungen Mannes, und ihre Lippen fanden die seinen in keuscher, zitternder Berührung.

Albert Spielhagen hatte kaum zu atmen gewagt. Sein Körper bebte unter einem ungeheuerlichen Entsetzen, und einige Augenblicke war es ihm, als verliere er die Herrschaft über sich selbst und müsse als das Opfer dieses grenzenlosen Verrates, an den er niemals auch nur einen Augenblick zu denken gewagt hatte, ohnmächtig niederstürzen. Plötzlich aber löste sich die Erstarrung seiner Glieder, und mit einem Aufschrei, der das junge Mädchen erschreckt bis an die andere Seite des Zimmers eilen ließ, warf er sich auf seinen Nebenbuhler, der vergeblich mit starren Augen das Halbdunkel des Zimmers zu durchdringen versuchte. Weder er noch das junge Mädchen, das wohl denken mochte, der Aufschrei habe von dem jungen Manne selbst hergerührt, konnte etwas sehen. Mr. Paw fühlte nur, dass sich plötzlich gleich Eisenklammern kalte, feuchte Finger um seine Kehle schnürten, sodass ihm der Atem versagte und seine Augen groß und rollend aus den Höhlen traten. Mit Aufbietung aller Kraft stemmte er sich gegen seinen unsichtbaren Angreifer. Sein plötzlicher Schrecken steigerte sich zu unsagbarem Entsetzen, als er fühlte, dass er wirklich von einem unsichtbaren Wesen angegriffen worden war; die Verzweiflung verlieh ihm eine solche Kraft, dass es ihm schließlich gelang, Albert Spielhagen zurückzustoßen. Keuchend und taumelnd entfloh Mr. Paw aus dem Musikzimmer durch die Tür, die er vor wenigen Minuten selbst erst geschlossen hatte. Seine Verwirrung und sein Grauen waren so groß, dass er nicht mehr die Kraft fand, zu der Gesellschaft zurückzukehren, noch sich um das Schicksal Ritas zu bekümmern. Er stürzte die Treppe hinab und eilte ohne Hut und Mantel auf die Straße, kaum mehr fähig, zu denken, nur von dem Instinkt geleitet, aus diesem furchtbaren Hause zu entkommen.

Das junge Mädchen hatte die Flucht Mr. Paws nicht begriffen. Sie glaubte, der junge Amerikaner sei infolge der großen Aufregung in der er sich befand, von einem plötzlichen Unwohlsein befallen worden. Als er verzweifelt nach seiner Kehle gegriffen, hatte sie gedacht, er versuche, sich den Halskragen zu öffnen, um Luft zu bekommen. Sein Taumeln schrieb sie einem Schwindelanfall zu, und sie wollte eben das Zimmer verlassen, um zu der Gesellschaft zurückzukehren und einen dort anwesenden Arzt zu Hilfe zu rufen, als sie plötzlich krampfhaft mit beiden Händen sich in einen kostbaren Gobelin verkrallte. So stand sie, den Rücken gegen die Glaswand gepresst, den Mund halb geöffnet, und starrte geradeaus nach der gegenüberliegenden Seite. Ein einziger Schrei hätte hingereicht, um ihren Vater samt seinen Gästen zu ihrer Hilfe herbeizurufen, aber so verzweifelte Anstrengungen sie auch machte — kein Ton kam von ihren Lippen. Es war, als presse eine furchtbare, unsichtbare Gewalt ihre Kehle zusammen. Ihr Atem stockte, und während sie den Oberkörper verzweifelt vorwärts beugte, versuchend, zu entfliehen, bewegten sich ihre Füße doch nicht vom Boden hinweg, denn es war ihr, als sei sie in einen Mantel von Blei gehüllt.

Und doch stand Albert Spielhagen auf der gegenüberliegenden Seite. Er befand sich in einer ähnlichen Verfassung wie das junge Mädchen, wenn auch die Glut in seinen Augen durch eine ganz andere Empfindung hervorgerufen worden war als durch das Entsetzen Rita Thüngens. Ja, in dem Moment, da er bemerkte, dass sie unzweifelhaft gerade nach der Richtung starrte, in der er stand, erschrak er. Der rasende Zorn, den er gegen sie empfand, die ihm am Tore all seiner Hoffnung in den Abgrund der Verzweiflung gestoßen hatte, verwandelte sich in Schrecken. Warum sah sie mit so wahnsinnigen Augen zu ihm herüber?

Es war doch unmöglich, dass sie ihn sah. Er hatte doch die Probe zur Genüge schon gemacht, und überdies stand er tief in dem Halbdunkel, welches den Flügel auf dieser Seite umgab.

Dieser furchtbare Moment währte vielleicht nur Sekunden, aber sie schienen Albert Spielhagen wie Ewigkeiten. Und jetzt, während ihn selbst ein Zittern ergriff, fühlte, sah er ganz deutlich, wie ihre Augen sich direkt in die seinen bohrten, während ein unaussprechliches Leuchten ihren Blick fast überirdisch erscheinen ließ. Ah — wie entsetzlich! Sie sah zwei glühende Sterne. In dem Gobelin brannten sie auf dem farbigen Grunde. Zwei rollende, lebendige, schaurige Kugeln, aus einer weichen, in Flammen erhärteten Masse. Oder waren sie aus Kristall?

Wie schrecklich, abscheulich, ekelhaft! Mein Gott! Das waren Augen, lebendige, unheimliche Augen, die sich aus dem roten Kopf einer Figur der Gobelins hervorrekelten. Welches Wunder, welches schreckliche Wunder! Eine GobelinFigur mit lebenden Augen! Und diese Augen wuchsen aus der Figur heraus, wahrlich, sie bewegten sich nach vorwärts — sie fielen aus den Stirnhöhlen des gezeichneten Menschen mit dem roten Kopf — sie näherten sich — das Grauen — das entsetzliche Grauen!

Endlich, nachdem sie nahezu eine Minute wie gefesselt an ihrem Platz gestanden hatte, lautlos, keuchend, mit einer furchtbaren hypnotischen Gewalt ringend, fand sie plötzlich die Sprache wieder, und all ihr Grauen presste sich in einem einzigen Laut zusammen, der als unartikulierter Schrei von ihren Lippen kam. Dann sank sie halb zu Boden, und während sie beide Arme in der Richtung nach Albert Spielhagen ausstreckte, schrie sie, während Irrsinn aus ihren Augen leuchtete:

»Zu Hilfe! Die Augen — mein Gott — die Augen — die Augen!«

Wimmernd, von einem herzzerreißenden Schluchzen geschüttelt, brach sie vollständig zusammen, während die erschreckten Gäste, Kommerzienrat Thüngen an der Spitze, ins Zimmer stürzten. Man hob sie auf. Der Kommerzienrat redete ihr zu; Professor Cock, der als Gast zugegen war, versuchte sie zu beruhigen. Aber der Blick, mit dem sie ihn ansah, machte ihn erbleichen. Kein Zweifel war mehr möglich. — Rita Thüngen hatte den Verstand verloren.

Noch immer stand Albert Spielhagen an seinem Platz. Die letzten Worte des unglücklichen Mädchens hatten ihm die Situation klar gemacht. Auf der Straße waren seine Augen, die er allein durch das Robrum nicht hatte verbergen können, niemandem aufgefallen, um so mehr, als der junge Mann die Gewohnheit hatte, sie häufig halb geschlossen zu halten. Er litt an großer Kurzsichtigkeit und sah daher fast immer durch die halb geschlossenen Wimpern.

In dem Moment, da ein fürchterlicher Zorn ihn gepackt, war alle Wut und alle Empörung feurigen Blitzen gleich aus seinen Augen geschossen. Diese, welche schon bei halbgeschlossenen Wimpern eine furchtbare Wirkung auf seine Freunde ausübten, hatten einen schrecklichen Ausdruck angenommen. Der Blick des unglücklichen jungen Mädchens war zufällig nach jener Seite geglitten, wo Albert Spielhagen gestanden. Seine Augen hatten ihren Blick förmlich in sich gezogen und nicht mehr von sich gelassen. So war sie in den Bannkreis seines schrecklichen Willens geraten, hatte nichts gesehen als dieses furchtbare Augenpaar, welches aus den Teppichen der Glaswand hervorgetreten zu sein schien.

Einen Moment empfand der junge Mann das Bedürfnis, dem unglücklichen Vater zu folgen, der sein Kind auf den Armen weggetragen hatte — aber nur einen Moment. Dann war jedes Interesse an der Person des jungen Mädchens selbst erloschen. Er empfand nunmehr das glühende Verlangen, sich zu rächen, Vergeltung zu üben an dem, der mit frecher Gleichgültigkeit in den Glückskreis seines Lebens getreten war und alles vernichtet hatte, weswegen Albert Spielhagen seit einem Jahre gedarbt und gekämpft und gerungen hatte.

Dieser Elende, den er bis zum Wahnsinn hasste, war Mr. Paw. Während Albert Spielhagen das Haus des Kommerzienrats verließ, indem er die Augen halb geschlossen hielt, dass sie ihn nicht zum zweiten Male verrieten, während er durch die Straßen Berlins schritt, wo trotz des Winters die Bäume und Pflanzen in den Anlagen in Blüte standen, zermarterte er sein Gehirn, wie er sich auf furchtbare und entsetzliche Weise an Mr. Paw rächen könnte. So wanderte er ziel- und planlos in den Straßen auf und nieder, wo sich Tag und Nacht das gleiche Verkehrsleben abspielte.

Stunden vergingen. Niemand sah, niemand beachtete den einsamen Menschen, in dessen Gehirn sich furchtbare, frevlerische Pläne durcheinander wälzten. Endlich, es mochte gegen ein Uhr sein, war Albert Spielhagen mit sich im Reinen. Hätte jemand sein Gesicht gesehen, so wäre er wohl über das dämonische Lächeln, zu dem sich die Lippen des Unsichtbaren verzogen, zu Tode erschrocken, denn der Ausdruck dieses Gesichtes hatte etwas Unheimliches an sich.

Albert Spielhagen griff in die Tasche, um sich zu vergewissern, dass er eine kleine, mit einer weißen Flüssigkeit gefüllte Flasche bei sich trug.

Dann schlug er den Weg nach der Wohnung Mr. Paws ein, den er nur zu gut kannte; war er doch einer seiner besten Freunde, dem er erst kürzlich das Geheimnis seiner Liebe zu Rita Thüngen anvertraut hatte.


III.

Mr. Paw hatte seine Selbstbeherrschung wiedergefunden, als er sich auf der Straße befand. Die erstaunten, teilweise spöttischen Blicke der Passanten brachten ihn wieder zu sich. Was war denn eigentlich nur gewesen?

Er schritt die Straße hinab und dachte nach. Je mehr er sich aber den Kopf zermarterte, desto weniger kam er ins Reine mit sich selbst. Ohne Zweifel — er musste, wenn er es auch selbst nicht glauben wollte, einem plötzlichen Unwohlsein zum Opfer gefallen sein. Er war ja immer schon etwas herzleidend gewesen — kannte er denn die Symptome aller jener geheimnisvollen Krankheiten, welche gerade die moderne Menschheit heimsuchten?!

Aber dann sagte er sich wieder: Ich habe doch deutlich diese langen, kalten, feuchten Finger gefühlt die sich mit furchtbarer Kraft um meine Kehle gekrallt hatten.

Aber konnte das nicht Einbildung gewesen sein? Konnte nicht eben gerade seine plötzliche Erkrankung ihm das vorgespiegelt haben? Bildeten sich nicht hundert andere Kranke alles mögliche ein, das sich als unwahr erwies?

Und er dachte weiter: Vielleicht sind gerade diese Kranken im Recht. Vielleicht gibt es doch Dinge zwischen Himmel und Erde, die selbst unser kompliziertes, mit allen erdenklichen Hypothesen und Gesetzen angefülltes, modernes Gehirn nicht begreifen kann. Wenn er aber wirklich von einer lebenden Gewalt angepackt worden war — musste es ihn nicht mit Schrecken und Entsetzen erfüllen, wenn er nur daran dachte, dass sich Ähnliches wiederholen könnte?

Nein! Nein! Um seiner eigenen Ruhe willen durfte er das nicht glauben! Er war ganz sicher leidend, und die übergroße Aufregung, die das Glück in ihm hervorgerufen, hatte ihn zum Opfer einer schrecklichen Halluzination gemacht.

Als Mr. Paw endlich nach stundenlangem Umherirren zu diesem Resultat gekommen war, nahm er sich vor, unter allen Umständen daran festzuhalten und sich nicht zu weiteren Trugschlüssen verleiten zu lassen.

Er überlegte, ob er noch in das Haus des Kommerzienrats zurückkehren sollte. Aber einerseits schämte er sich, anderseits wäre es gewiss unschicklich gewesen, hätte er jetzt noch gestört. Rita hatte sicherlich bereits in seine Wohnung gesandt, um sich nach seinem Befinden erkundigen zu lassen; es war die höchste Zeit, dass er sich nach Hause begab.

Als Mr. Paw seine Wohnungstür öffnete, da wunderte er sich, dass diese nur einmal verschlossen war und nicht, wie er seinem Diener ausdrücklich befohlen, doppelt. Das Verbrechen hatte in den letzten Jahrzehnten eine so ungeheuerliche Ausdehnung angenommen, die Hilfsmittel der Verbrecher hatten sich so vervollkommnet, dass nur die größte Wachsamkeit ein halbwegs genügendes Schutzmittel gegen sie bot.

Mr. Paw hatte gerade an diesem Abend seinem Diener gestattet, länger außer Hause zu bleiben. Hatte er doch selbst damit gerechnet, dass er vor morgens nicht zurückkehren würde, denn er hatte noch vorgehabt, gegen zwei Uhr nachts die Oper zu besuchen, welche abwechselnd mit verschiedenen Kräften die ganze Nacht hindurch spielte.

Mr. Paws Appartement lag im siebenunddreißigsten Stockwerk eines Hauses der CalaisDoverStraße, so benannt zum Andenken an den letzten glorreichen Sieg Deutschlands zur Luft über die vereinigte Flotte Englands und Frankreichs, in dem es gerade über der Unterseebahn zwischen CalaisDover zum Kampf gekommen war.

Er durchschritt mit einer gewissen Nonchalance die fünf prächtig eingerichteten Räume, von denen jeder nach der Mode der Zeit in einer anderen Stilart möbliert war. Man sah, dass ein Künstler hier am Werk gewesen war; wenn auch gerade Mr. Paw selbst nicht die Fähigkeiten besaß, so stilgerecht zu denken und zu empfinden, so verfügte er ja über Mittel genug, um die Köpfe sensitiver Künstler für sich arbeiten zu lassen. Wäre ein Mensch aus dem zweiten Jahrtausend durch ein Wunder in diese Zeit geraten, so hätte er sich gewiss über den grandiosen Geschmack, der in Tausenden und Abertausenden vornehmer Appartements der Hauptstadt obwaltete, nicht genug wundern können. Er würde gedacht haben, der Geschmack des Einzelnen und das Kunstverständnis der Nation habe sich zu einer nie geahnten Blüte entwickelt. Dem war aber nicht so; die künstlerischen Ideale der deutschen Banausen waren die gleichen geblieben, auch gab es nicht etwa mehr Künstler als in früherer Zeit. Aber diese, die ehedem ihre Fähigkeiten in den Dienst der reinen Kunst gestellt und auf den Ausstellungen aller großen Städte in idealen Bestrebungen gewetteifert hatten, waren im dritten Jahrtausend gezwungen, auch ihr Genie in den Dienst praktischer Werte zu stellen. Man kannte keine Kunstausstellungen mehr, denn man hielt sie für überflüssig. Man beherrschte die Künstler durch die Macht des Goldes. Dadurch aber, dass infolge des ungeheuerlich aufgehäuften Reichtums der Einzelnen die Kunst nicht mehr darben musste wie früher, hatten sich auch die Jünger nach kurzem vergeblichen Widerstand unter das Joch der realen Werte gebeugt. Sie waren Handwerker geworden, ebenso wie die Dichter, die weder einen Verleger noch einen Drucker gefunden hätten, der ihre Erzeugnisse in individueller Ausgabe als Buch dem Publikum vorgelegt hätte. Es gab nur mehr Zeitungen. Weder für Zeitschriften noch für Bücher würden sich Leser gefunden haben. Die Zeitungen erschienen täglich sieben Mal, jeweils in einer Ausgabe von dreißig bis vierzig Blättern, sodass selbst der raffinierteste Nichtstuer nicht imstande gewesen wäre, die einzelnen Ausgaben seines Blattes vollständig zu lesen. Infolgedessen suchte sich jeder das Seine, und die Zeitungen, die diesem Bedürfnis entsprechen mussten, stellten in der Tat in jeder Ausgabe eine Art Konversationslexikon der aktuellen Ereignisse, des Wissens und der Unterhaltung dar.

Diese Gedanken schossen auch Mr. Paw durch den Kopf, als er die siebente Ausgabe der ›Neuen Blätter‹, welche um Mitternacht erschien, flüchtig durchlas.

Er saß auf der Veranda, die sich direkt vor dem Fenster seines Wohnzimmers befand, und setzte den langgezogenen amerikanischen Schaukelstuhl in leichte, schwingende Bewegung. Wenn er von seinem Blatt aufsah und den Kopf etwas nach links wandte, so bot sich ihm das von Farben, Licht und Reichtum durchflutete Bild des großstädtischen Verkehrs. Hoch über ihm jagten mit unheimlicher Geräuschlosigkeit die elektrischen Omnibusse und Straßenbahnen dahin. Bemühte er sich, durch dieses Spinngewebe von leuchtenden Schienen zu blicken, so konnte er die Luftfahrzeuge der NordSüdExpressLinie erblicken, deren Hauptbahnhof sich in seiner Nähe befand.

Sah er aber nach rechts, so weidete sich sein Blick an der vornehmen Einrichtung seines Zimmers, welches ein wohliges Halbdunkel durchflutete. Das Gemach war in altdeutschem Stile eingerichtet, eine Liebhaberei, die umso teurer kam, weil es nur wenige Künstler gab, die imstande waren, Entwürfe aus jener Zeit herzustellen, von der man so gut wie nichts mehr wusste. Wenigstens nahm sich selten ein Gelehrter die Mühe, aus der Flut alter Überlieferungen einzelne kleine Zeitabschnitte herauszuheben, und ein erschöpfendes Quellenwerk, das die verflossenen zwei Jahrhunderte und ihre Vorzeit behandelt hatte, existierte nur in einer Ausgabe von dreihundert Riesenbänden, an deren Herstellung nicht weniger als achtundneunzig Gelehrte ihr Leben lang gearbeitet hatten.

Ein leiser Seufzer entfloh den Lippen Mr. Paws, als er bei der Lektüre der ›Neuen Blätter‹ an Amerika, sein Vaterland, dachte. Seit vier Jahrhunderten war dort ein völliger Stillstand eingetreten. Die Nation hatte sich in einem unglaublichen Wettlauf, in dem sie Europa weit überflügelte, vollständig erschöpft und verharrte in einem Zustand der Stagnierung, der einen unersetzlichen Rückschritt bedeutete. So befand sich z. B. die amerikanische Presse in einem Zustand der Versumpfung, der ganz unbeschreiblich war und sich mit nichts vergleichen lässt.

Mr. Paw erhob sich und trat in sein Zimmer. Einige Augenblicke überlegte er, ob er sich telefonisch mit der Großen Oper verbinden lassen sollte; denn obgleich sich seine Nerven bereits von dem fatalen Abenteuer im Hause des Kommerzienrats Thüngen vollständig erholt hatten, empfand er doch nicht das Bedürfnis nach Schlaf. Dann aber beschloss er, sich in Selbstnarkose zu versetzen, ein beliebtes Schlafmittel, von dem nahezu die ganze nervöse Rasse des dritten Jahrtausends Gebrauch machte. Dieses Narkotikum war schon im Jahre 1908 von Professor Schleich erfunden worden und bestand aus zwei Teilen ÄthylChlorid, vier Teilen Chloroform und zwölf Teilen Schwefeläther. Abgesehen von seiner schmerzstillenden Wirkung, rief es ohne jede Schädigung des Organismus einen wohltätigen Schlaf herbei, der je nach der Quantität des eingeatmeten Narkotikums kürzere oder längere Zeit andauerte.

Mr. Paw entkleidete sich und warf sich, in ein phantastisches, faltenreiches Nachtgewand gehüllt, auf sein Lager.

Nachdem er ein Schwämmchen in ein gut verkorktes Fläschchen getaucht, atmete er in langen Zügen das wohltätige Parfüm ein, das dem Schwamme entströmte, und schon befand er sich in jenem Zustand zwischen Wachen und Träumen, in dem unsere Sinne beginnen, den klaren Dienst zu versagen — da entglitt plötzlich das Schwämmchen seiner Hand. Sein Körper verfiel in ein konvulsivisches Zittern, das mehrere Sekunden dauerte, während sein Kopf, unfähig, eine Bewegung zu machen, steif in den Kissen lag. Die Augen, die eben bereit gewesen waren, sich zu schließen, hasteten mit einem Ausdruck unbeschreiblichen Entsetzens an einem Gegenstand, der aus dem Dunkel der Tapeten förmlich herausgeschwommen war.

Nach sekundenlanger Erstarrung gewann Mr. Paw die Herrschaft über sich selbst. Er stieß einen langgezogenen, gurgelnden Schrei aus und riss die Bettdecke über das Gesicht.

Aber die grauenvolle Totenmaske, die an der gegenüberliegenden Tapete hing, verschwand deswegen nicht.

Die Nerven Mr. Paws zitterten und vibrierten, sein Herz schlug zum Zerspringen, und er geriet in einen Zustand krankhaften Entsetzens, dessen Folgen umso schlimmer sein konnten, da der junge Amerikaner an dem Grundleiden der modernen Menschheit, nämlich an Herzschwäche, litt.

Vergeblich versuchte er, während seine Augen durch die Musselindecke geschützt waren, sich klar zu machen, dass er sich getäuscht hatte. Gewiss befand er sich in einem Zustand ungewöhnlicher Erregung, und seine erhitzte Phantasie zauberte ihm Dinge vor, die in Wirklichkeit nicht bestanden. Um sich selbst einen Beweis zu liefern, dass er sich täuschte, zog er langsam die Decke wieder vom Gesicht und sah starr nach der weinroten Tapete hin. Aber er hatte sich nicht geirrt.

Er wusste genau, dass er nie eine Totenmaske dorthin gehängt hatte. Und doch war aus dem Dunkel der Tapete eine solche getreten, ein wachsbleiches Gesicht mit halbgeschlossenen Augen und hochgezogenen Pupillen, ein Gesicht ohne Leben und Blut, mit hoher Stirne, eingesunkenen Schläfen und einem Lächeln um die schmalen, blassen Lippen, dessen Charakter ebenso grausam wie fürchterlich war.

Dieses seltsame Gesicht, von dem Mr. Paw nicht sehen konnte, wo es seinen Halt fand, verweilte bewegungslos an seiner Stelle. Mr. Paw hatte sich halb in seinem Bette aufgesetzt. Seine Glieder verschlangen sich krampfhaft ineinander, seine Hände krallten sich in die Seide des Lagers. So saß er eine Weile in einem Zustand der Erschlaffung, hypnotisiert durch dieses grauenvolle, scheinbar fleischlose Phantom. Er hatte, ehe er sich zu Bett begeben, die Schutzklappe vor den elektrischen Reflektor gezogen. Die Nacht, die infolgedessen in dem Zimmer herrschte, wurde nur gemildert durch einen matten rötlichen Lichtstrahl, welcher durch die purpurgemusterten Vorhänge der Glastür zur rechten Seite fiel. Dieser rötliche Strahl glitt aber auch über die Totenmaske hin und verlieh dem Kinn eine phantastische Färbung. Mr. Paw wollte es scheinen, als sei diese Partie des geheimnisvollen Gesichts in Blut getaucht. Während er aber allmählich durch die Bewegungslosigkeit dieser Erscheinung sich wieder zu regen wagte, wurde er plötzlich durch einen neuen Umstand in unbeschreibliches Grauen versetzt.

Das geheimnisvolle Gesicht hatte die Augen geöffnet.

Was für Augen! Mr. Paw hatte einen neuen Schrei ausgestoßen und versuchte zu entfliehen. Aber er war nur bis über den Rand seines Lagers gekommen und stand nun mit beschwörend ausgestreckten Armen in der Mitte des Zimmers, dem Phantom gegenüber, von einem Fieberfrost geschüttelt, während sein Gesicht ein über das andere Mal von glühender Röte überflossen war. Hitze und Kälte jagten zu gleicher Zeit durch seinen Leib. Er wollte zur Tür eilen, aber die Kraft versagte ihm. Von einer unbegreiflichen Macht in Bann geschlagen, war er nicht imstande, den Blick von diesen faszinierenden, grausamen, blutdürstigen Augen, in denen der Tod lag, zu wenden. Diese Augen legten förmlich einen magnetischen Kreis um seine Person, der immer mehr und mehr sich zusammenzog und seine Arme an den Körper fesselte, dass er unfähig war, auch nur die geringste Bewegung zu machen.

Diese furchtbaren Augen hatten die Kraft eines Vampirs. Indem sie sich in die Pupillen des jungen Mannes bohrten, sogen sie alles Blut aus seinem Körper, dass eine eisige Kälte ihn umfing und seine Adern trotz der Wärme, die in dem Zimmer herrschte, zu Stein erstarrten.

Vergeblich rang Mr. Paw nach Atem. Vergeblich versuchte er, seine Verzweiflung hinauszuschreien, und während sein Blick hilflos an diesem entsetzlichen Gesicht hing, wurde plötzlich seine Erinnerung lebendig.

Ja, er hatte dieses Antlitz schon gesehen! Er kannte es — wie oft hatte ihn heimlich vor diesem Ausdruck geschaudert, wie oft hatte er im Stillen die phantastischen Mienen seines Freundes Albert Spielhagen beobachtet. Er war es, dieser moderne Mephisto — aber das war ja alles eine eitle Vorstellung — Wahnsinn — Unmöglichkeit!

»Albert Spielhagen!«, schrie Mr. Paw mit dem Aufgebot seiner ganzen Lungenkraft. Wenigstens schien es ihm so; der Ton aber, der über seine Lippen kam, war nichts weiter als ein heiseres Krächzen, und man hätte den Sinn seiner Worte von seinen Lippen ablesen müssen, wollte man sie verstehen.

Die furchtbare Maske aber schien sie verstanden zu haben. Sie veränderte sich von Neuem. Während die Augen sich wieder zur Hälfte schlossen, gleich denen eines zum Sprung bereiten Raubtieres, während sie blinzelnd, mit einem scheelen Blick auf dem Unglücklichen hafteten, zogen sich die schmalen Lippen langsam, mit einer ebenso majestätischen wie barbarischen Ruhe auseinander, bis die weißen Zähne sichtbar wurden. Durch einen Zufall spielte das rötliche Licht über die Lippen, und Mr. Paw hatte die Empfindung, als sei dieser Mund mit Blut gefüllt, als riesele dieser aufregende, purpurne Saft zu beiden Seiten der Mundwinkel langsam über das steinerne Kinn.

Das Lächeln dieser entsetzlichen Maske war von einer so unsagbaren Grausamkeit, dass Mr. Paw von Neuem einen unartikulierten Schrei ausstieß, während er einen weiteren Versuch machte, zu entfliehen. In diesem Augenblick schien die Totenmaske seines Freundes Albert Spielhagen sich zu vergrößern. Sie schwebte aus den Tapeten hervor, sie gewann feste Formen und trat mitten in das Halbdunkel des Zimmers hinein, sie näherte sich unaufhaltsam dem Unglücklichen, dessen Zähne im Fieber aufeinander schlugen, während er unbewusst bald Gebete murmelte, bald alle Beschützer der verflossenen Kindheit zu Hilfe rief.

Jetzt war dieses furchtbare Antlitz nur mehr höchstens einen Meter von Mr. Paw entfernt. Er hatte die Empfindung, als streckten sich unsichtbare Arme nach ihm aus, als würde er im nächsten Moment einen grässlichen, unsagbaren Tod erleiden, und indem er den letzten Rest seiner vernichteten physischen und psychischen Kraft zusammenraffte, warf er sich zu Boden und kroch unter unsagbaren Anstrengungen durch zwei Zimmer, die in gleicher Todesruhe lagen, zu dem Balkon hinaus.

Erschöpft, in Schweiß gebadet, mehr röchelnd als atmend, lag er auf der Schwelle des Balkons wie ein Hund und sah mit irren, blutunterlaufenen Augen in das Dunkel seiner Wohnung zurück. Aber dieses furchtbare Antlitz, dieser lebendige Tod, schaukelte nun langsam, mit furchtbarer Deutlichkeit durch die Dunkelheit hindurch, kam näher und näher, griff nach ihm, lachte, lachte, dass Mr. Paws Einbildungskraft eine ganze Hölle voll ungeheurer Martern empfand — da raffte der junge Mann sich noch einmal auf. Er kroch förmlich die hohen Stäbe hinan, welche den Balkon umschlossen, und mit einem Ausruf der Erleichterung und der Erlösung schwang er sich über die Brüstung und stürzte aus großer Höhe in die Tiefe der Straße hinab. Er schlug gerade auf einen eisernen Wärmeregulator und fiel dann auf das Pflaster, wo er mit zerschmetterten Gliedern liegen blieb.

Die, welche den Schluss dieser Katastrophe hatten beobachten können, sahen halb erschrocken, halb erstaunt zu der Höhe hinauf, aus welcher der Unglückliche gestürzt, liefen aber schaudernd und entsetzt davon, als sie über dem Dunkel der Veranda ein weißes, von einem schauerlichen Lächeln verzerrtes Gesicht zu sehen glaubten, das sich über die Brüstung des Balkons beugte und frei in der Luft zu schweben schien.

Langsam schritt Albert Spielhagen durch die Zimmer seines Todfeindes. Indem er in dem Schlafgemach den Schutzdeckel von dem elektrischen Reflektor beiseite schob, überstrich er sein Gesicht, das er vor einer Stunde mit Hilfe einer Mischung von Terpentin und einem zweiten chemischen Präparat von dem Robrum gereinigt, von Neuem mit der geheimnisvollen Flüssigkeit, und in weniger als einer Minute war die unheimliche Totenmaske im Dunkel der Nacht erloschen.

Albert Spielhagen, der in die Wohnung seines Freundes gehuscht war, als der Diener diese verließ, kehrte auf natürlichem Wege in das Treppenhaus zurück, öffnete geräuschlos die Haustür und verschwand als unsichtbarer Schatten in dem Gewühl der Menschen, welche sich um den bis zur Unkenntlichkeit zerschmetterten Leichnam des jungen Amerikaners drängten.


IV.

»Mein Freund Manfred Holle wird Augen machen, wenn ich ihm meine nächtlichen Abenteuer erzähle«, dachte Albert Spielhagen, als er die belebten Straßen durchschritt, um in seine Wohnung zurückzukehren. »Aber ich werde ihm nur einen geringen Teil dessen erzählen, was ich in Wahrheit erlebt habe«, dachte er weiter. »Dieser Bruchteil wird aber hinreichen, sein Erstaunen und seine Verblüffung ebenso wie seine Begehrlichkeit zu wecken, und trotz seines Versprechens wird morgen schon der große Generalstab in Berlin Kenntnis von meiner wunderbaren Erfindung haben. Ich werde aber vorsichtig und auf meiner Hut sein! Ich verlange fünf Milliarden und eine hohe Staatsstellung, ehe ich die Erfindung ausliefere.

Aber — hat das Geld für mich noch irgendeinen Wert? Was will ich nun beginnen, nachdem alles, was vorher in mir gelebt, erstorben ist? Bin ich etwas anderes als eine wandelnde Leiche ohne pulsierendes Leben und ohne die treibende Kraft, die allein uns dieses Spinngewebe von Wünschen und Pflichten, das wir das Leben nennen, erträglich macht?«

In solche Gedanken versunken, bemerkte Albert Spielhagen zwei Herren und eine Dame, welche soeben ein geräumiges elektrisches Automobil bestiegen. Da er in diesem Zufall die passendste Gelegenheit sah, rasch nach Hause zurückzukehren, denn er hörte, wie der eine der Herren eine Straße nannte, die in nächster Nähe seiner Wohnung lag, so schlüpfte der junge Erfinder ungesehen und geschickt zu gleicher Zeit in den Wagen und nahm neben der jungen Dame Platz, während die beiden Herren auf der gegenüberliegenden Seite saßen.

»Wie hat Ihnen der neue türkische Tenor gefallen, gnädige Frau?«, begann der eine Herr, dessen Schnurrbart man auf weite Entfernung schon die künstliche Zucht ansah, zu der jungen Dame gewendet, die in einen wundersamen Traum von Seide, Duft und Musselin gehüllt war.

»Er singt wundervoll«, erwiderte sie, während ihr Blick durch das halbgeöffnete Fenster zerstreut auf die Straße hinausglitt. Sie setzte hinzu, ohne aber den, dem diese Worte galten, anzusehen:

»Möchtest du die Güte haben, Edgar, das elektrische Licht auszudrehen? Meine Augen schmerzen mich!«

Der Gatte der jungen Frau, der auf der anderen Seite, Albert Spielhagen gegenüber saß, drehte die elektrische Lampe des Wagens aus, und augenblicklich waren alle in eine wohltuende Dämmerung gehüllt.

»Die Mode, Tenöre künstlich zu ziehen, hat sich ohne Zweifel bewährt«, fuhr die junge Dame mit einer kühlen Grausamkeit fort, die dem blassen, vornehmen Gesicht zwischen den hin und her schießenden Lichtpfeilen ihrer Diamanten etwas Dämonisches verlieh.

»Nur schade«, setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu, »dass diese Tenöre alle aus der Türkei zu uns importiert werden. Ich finde z. B. die Männer der indischen Schauspielertruppe, welche augenblicklich im Theater ›der drei Linden‹ gastiert, viel wohlgestalteter, vornehmer und interessanter.«

Plötzlich fuhr sie zurück. Ihre Augen wurden groß und stechend, ihre Brust hob und senkte sich rasch, und mit einer zornigen Bewegung ließ sie klatschend ihren Fächer in das Gesicht des jungen Kavaliers mit dem künstlich gezüchteten Schnurrbart niederfallen. Dieser schoss verblüfft und fragend in die Höhe, während die junge Frau sich tiefer in ihren Sitz zurücklehnte und mit einer leichten Bewegung zu ihrem Gatten hin sagte:

»Dieser Elende hat es gewagt, mich zu küssen!«

Der junge Kavalier wurde bald blass, bald rot. Seine Hände fuchtelten verzweifelt durch die Luft, seine Lippen gingen auf und nieder, und man sah, dass er einen vergeblichen Anlauf nahm, zu sprechen. Seine Verwirrung nahm aber noch zu, als der entrüstete Gatte der jungen Frau der ersten Züchtigung eine zweite hinzufügte, sodass der junge Kavalier bebend die Notleine zog, worauf das Automobil augenblicklich hielt.

»Wir sprechen uns noch vor den Gerichten«, zischte er hervor, vergeblich bemüht, die Perücke, welche in der Aufregung in den Nacken gerutscht war, wieder in die rechte Lage zu bringen. Die schöne junge Frau zuckte die Achseln, ihr Gatte antwortete durch eine verächtliche Kopfbewegung. Dann setzte das Automobil seine Fahrt mit rasender Geschwindigkeit fort.

In der Tat war es Albert Spielhagen gewesen, welcher der Versuchung nicht hatte widerstehen können, seine Lippen für einen Augenblick auf die dieser schönen Frau zu drücken.

Es war in einem Paroxismus von Bewunderung geschehen und durchaus nicht in der Absicht, eine Beleidigung hervorzurufen. Das Bewusstsein, alles ungestraft begehen zu können, hatte in Albert Spielhagen einen Zustand der Gewissenlosigkeit hervorgerufen, der von Stunde zu Stunde zunahm und ihn sicherlich zu weit gefährlicheren Verbrechen befähigt hätte als zu dem, welches er in der CalaisDoverStraße begangen, würde nicht das Schicksal, von dem viele behaupten, es befleiße sich einer ausgleichenden Gerechtigkeit, seinem Siegeszug ein jähes Ende gesetzt haben.

Das Automobil, welches eine Strecke von etwa fünfzig Kilometern in weniger als zehn Minuten zurückgelegt hatte, hielt vor dem hohen Portale eines schlossartigen Gebäudes. Albert Spielhagen verließ den Wagen hinter der jungen Dame, eilte die paar Querstraßen hindurch, die ihn von seinem eigenen Hause trennten, schlüpfte durch die geöffnete Haustür, setzte den Lift geräuschlos in Bewegung und glitt zu seinem Stockwerk empor. Nun musste er noch die Wohnungstür öffnen, ohne gehört zu werden, er fand sie aber angelehnt, genau so, wie er sie verlassen, und so gelang es ihm, bis zu seinem Zimmer zu kommen, ohne das geringste Geräusch verursachen zu müssen. Mit einem Gefühl triumphierender Überlegenheit war er an der Portiersloge im Vestibül vorbeigeeilt und hatte Franz Grafe, dem Portier, eine Grimasse geschnitten, als er ihn an seinem kleinen Fenster hatte sitzen sehen. Auch seine Hausfrau war bereits aufgestanden und kam in dem Augenblick auf den Korridor heraus, als ihr Mieter unsichtbar an ihr vorüberging. Er wartete, bis sie in einem Zimmer verschwunden war, öffnete dann die Tür seines Zimmers und trat ein.

»Na, ich habe dir eine Menge zu erzählen!«, sagte er zu seinem Freunde Manfred Holle. »Aber warum hast du den Reflektor abgestellt und warum gibst du mir keine Antwort?«

Albert Spielhagen versuchte, mit den Augen das Halbdunkel zu durchdringen.

»Eigentlich hätte ich mir denken können, dass ihm die Zeit zu lange werden würde«, dachte er, als er seinen Freund nirgends entdecken konnte. Ohne erst Licht zu machen, beeilte er sich, seinen Körper, Gesicht und Hände von dem Robrum zu reinigen, denn nun stellte sich die Reaktion der außerordentlichen Aufregungen, die er hinter sich hatte, ein. Eine bleierne Müdigkeit umfing ihn, und als er sich wieder in einen sichtbaren Menschen verwandelt hatte, wollte er sich todmüde zu Bette begeben, als draußen ein Gemurmel von Stimmen entstand und, ehe Albert Spielhagen ein Wort hätte verstehen können, seine Tür geöffnet wurde. Mit grenzenlosem Erstaunen sah er einen Kriminalschutzmann eintreten, dem ein zweiter auf dem Fuße folgte. Hinter diesen beiden drängten sich mehrere Leute in das Zimmer.

»Sehen Sie nur nach, Schutzmann!«, sagte ein Herr, in dem Albert Spielhagen den Mieter unter sich erkannte. »Ein Irrtum ist ausgeschlossen! Seit einer Stunde tropft unablässig Blut in unser Zimmer!«

Mit einem Satz war Albert Spielhagen auf den Beinen. Der vordere der Schutzleute näherte sich ihm, legte seine Hand schwer auf die Schulter des jungen Mannes und sagte rau:

»Machen Sie Licht!«

Albert Spielhagen maß die Eindringlinge im Bewusstsein seiner Überlegenheit, die ihm sein Geheimnis verlieh, mit einem verächtlichen Blick.

»Sie sind wohl alle zusammen plötzlich toll geworden?«, fragte er scharf, und sich an die Schutzleute wendend, fuhr er fort:

»Ich werde sofort ein ausführliches Schreiben an die Beschwerdekammer des Parlaments richten! Sie wissen, Schutzmann, dass man dort eine sehr scharfe Kontrolle auf alle städtischen und staatlichen Einrichtungen ausübt.«

Der Schutzmann zuckte die Achseln und entgegnete:

»Wir wurden von der Partei unter Ihnen verständigt, dass aus Ihrem Zimmer durch die Ritze, welche sich zwischen dem Reflektor und dem Fußboden befindet, Blut herabriesele. Es ist unsere Pflicht, uns zu orientieren, was hier vorgefallen ist.«

Inzwischen hatte bereits der zweite Schutzmann die Klappe von dem Reflektor zurückgezogen, und augenblicklich war das Zimmer taghell beleuchtet. Das erste, was Albert Spielhagen sah, war eine große Lache Blut, die sein ganzes Zimmer förmlich überschwemmt hatte. In der Dunkelheit hatte er nichts davon gemerkt, war in das Blut getreten und hatte die Spuren desselben nun überall, auch auf seinem Lager, abgedrückt. Das zweite aber, was er erblickte, war ein lebloser Körper, in Blut gebadet, sodass nur mehr die weißen Achselklappen der Uniform, die aus der Lache herausragten, ihre ursprüngliche Farbe bewahrt hatten.

Es war ohne Zweifel Manfred Holle, dessen Leichnam auf der rechten Seite des Zimmers lag. Ebenso schnell wie Albert Spielhagen hatten die beiden Schutzleute die furchtbare Entdeckung gemacht, und während der eine blitzschnell hinter den Chemiker trat, ihm jeden Ausweg zur Flucht versperrend, beugte sich der andere zu dem Toten nieder und hob den Kopf mit dem furchtbar entstellten Gesicht etwas in die Höhe. Mit Entsetzen sahen alle Anwesenden, dass das Haupt durch ein scharfes Instrument beinahe vom Rumpfe getrennt war und nur mehr schwach mit diesem zusammenhing. Von den beiden Augen war das eine weit geöffnet, das andere halb geschlossen, während die Lippen in dem Kampfe, der offenbar zwischen dem Opfer und dem Verbrecher stattgefunden, durch ein scharfes Messer in der Mitte gespalten worden waren.

Albert Spielhagen sah starr auf den Leichnam seines Freundes. Er war so verblüfft, dass sein Gesicht in diesem schrecklichen Momente in der Tat keine andere Bewegung verriet, als lediglich unfassbares Staunen. Im Übrigen war er an sich ein Mensch, der weichlichen Empfindungen nur sehr schwer zugänglich war. Das Grauen, mit dem er in der verflossenen Nacht ein so gefährliches Spiel getrieben, hatte auf ihn keinen Einfluss, und so blickte er mit einer gewissen Kaltblütigkeit auf den Leichnam, welchen die übrigen Anwesenden nur mit Entsetzen betrachten konnten.

Inzwischen war bereits der eine der beiden Schutzleute hinausgetreten und hatte telefonisch den Untersuchungsrichter des Bezirks verständigt.

Diese Bezirke in dem modernen Berlin umfassten niemals mehr als höchstens drei Straßen mit gleichfalls nicht mehr als 5000 Seelen. Die Überhandnahme der Verbrechen hatte zu einer Vereinfachung des kriminellen Verfahrens geführt. Jedes Haus besaß einen polizeilichen Obmann, jede Straße einen Kommissar, jedes Viertel, also je drei Straßen, einen Untersuchungsrichter, der alle schwebenden Fälle, ob sie nun zivil- oder strafrechtlich waren, sofort erledigte und das Ergebnis des Vorverfahrens unverzüglich an die Staatsanwaltschaft ablieferte. Da die vierundfünfzig Stadtviertel ebenso viele Gerichte besaßen, die Tag und Nacht in Permanenz waren und beständig durch Ersatzmänner ergänzt wurden, so war es möglich, das ungeheure kriminelle Gebiet der Stadt seitens der Justiz vollständig zu beherrschen. Es vergingen denn auch keine zehn Minuten, da traf der Untersuchungsrichter ein. Er ließ die Tür des kleinen Zimmers schließen, erklärte die Vernehmung für offiziell und begann sofort mit der Amtshandlung, die darin bestand, dass zunächst der Verdächtige in Gegenwart des ebenso schnell herbeigerufenen Gerichtsarztes und der Leiche verhört wurde.

»Sie leugnen, den Offizier getötet zu haben?«, fragte der Beamte Albert Spielhagen, der sich nervös immer wieder über die Stirne strich, um seine Gedanken zu sammeln. Er glaubte nicht anders, als dies alles wäre nur ein böser Traum, aber als der Beamte ungeduldig seine Frage wiederholte, musste er sich zu einer Antwort bequemen.

Er entgegnete daher mit fester Stimme:

»Ich erkläre, dass Manfred Holle einer meiner Freunde gewesen ist. Es ließe sich absolut kein Sinn in ein Verbrechen bringen, wie das, welches man mir in die Schuhe schiebt; ich glaube, das, was das Gericht sich bei der Beurteilung eines solchen Verbrechens zuerst fragen müsste, wäre:

Welchen Zweck konnte das Verbrechen haben?

Ich kann Ihnen beweisen, dass mir durch den Tod meines Freundes Holle absolut kein Vorteil hat erwachsen können. Was das Verbrechen selbst betrifft, so werden Sie sicherlich die Waffe, mit der man meinen unglücklichen Freund getötet hat, nicht vorfinden, denn ich besitze überhaupt kein Messer von der Art, wie jenes gewesen sein muss, mit welchem das Verbrechen verübt wurde.«

Es war klar, dass diese Art der Verteidigung weder auf den Richter noch auf die anwesenden Hauseinwohner einen günstigen Eindruck machen konnte. Sie entsprach aber ganz und gar dem Wesen und dem Charakter Albert Spielhagens, dieses überlegenden klaren, objektiven Kopfes, für den in diesem gefährlichen Moment lediglich die logischen Motive Geltung hatten. Der Untersuchungsrichter zuckte denn auch die Achseln und lächelte flüchtig, als er diese merkwürdige Verteidigung angehört hatte.

»In der Tat lässt sich das Messer, mit dem der Mord verübt wurde, nicht finden«, sagte er. »Das ist aber kein Beweis, denn Sie können es sehr gut auf die Straße geworfen haben, ja, Sie wären töricht gewesen, hätten Sie diese Vorsichtsmaßregel unterlassen.

Vermutlich würden Sie auch den Leichnam weggeschleppt haben, hätte Sie das Blut des Ermordeten nicht angeklagt. Ich trete in das Beweisverfahren ein.

Zeugin Holländer!«

Die Vorgerufene war die Wirtin des Angeklagten. Sie maß ihren Mieter mit einem langen Blick, in dem all ihr Erstaunen und ihre Fassungslosigkeit lag, und trat dann an den Tisch, hinter welchem der Beamte saß.

»Sie sind die Wohnungswirtin des Angeklagten?«

»Zu dienen, Herr Untersuchungsrichter.«

»Sahen Sie den Ermordeten das Zimmer betreten?«

»Ja.«

»Wann war das?«

»Gestern Abend gegen acht Uhr.«

»Hat der Offizier in der Zwischenzeit einmal die Wohnung verlassen?«

»Nein.«

In diesem Augenblick warf der Gerichtsarzt, welcher neben dem Untersuchungsrichter stand, ein:

»Ich konstatiere, dass das Verbrechen gestern Abend zwischen neun und zehn Uhr verübt wurde. Um diese Zeit ist der Tod eingetreten.«

Der Untersuchungsrichter nickte und sah Albert Spielhagen mit einem langen, fragenden Blick an. Dieser entgegnete heftig:

»Ich werde das Gutachten des Herrn Gerichtsarztes nicht bestreiten. Ich behaupte aber, dass ich unmöglich der Mörder meines Freundes sein kann, nachdem ich gestern Abend bereits vor neun Uhr meine Wohnung verlassen habe und vor einer Stunde erst zurückgekehrt bin.«

Frau Holländer, offenbar erbittert über die Art und Weise, wie ihr Mieter sich von dem abscheulichen Verdachte reinigen wollte, rief:

»Das ist nicht wahr!«

Der Untersuchungsrichter wandte ihr den Kopf zu und fragte:

»Hätten Sie den Angeklagten sehen müssen, wenn er sein Zimmer verlassen hätte?«

»Wenn er, wie er behauptet, vor neun Uhr weggegangen wäre, Herr Untersuchungsrichter, so hätte ich ihn unbedingt bemerkt. Ich bin erst gegen zwölf Uhr zu Bett gegangen und habe, so oft ein Schritt über den Korridor hallte, durch die Glastür gesehen, wie das meine Gewohnheit ist.«

»Und hätten Sie den Angeklagten bemerkt, wenn er, wie er angibt, vor einer Stunde zurückgekehrt wäre?«

»Ohne Zweifel, Herr Untersuchungsrichter. Ich bin bereits seit zwei Stunden mit meiner Hausarbeit beschäftigt. Es ist ganz ausgeschlossen, dass er die Wohnung hätte betreten können, ohne von mir gesehen zu werden. Dazu möchte ich noch erwähnen, dass Herr Spielhagen noch nicht eine Nacht außer Haus verbracht hat und stets, wenn er die Wohnung verließ, mich vorher verständigte.«

Der Untersuchungsrichter machte eine Handbewegung zu Albert Spielhagen hin, als wollte er sagen:

Sie hören selbst, wie diese gewichtige Zeugin sich gegen ihre Behauptung äußert.

Albert Spielhagen aber, in dem langsam, düster und drohend, aber noch von ihm nicht gänzlich begriffen, der Gedanke an sein Verhängnis emporstieg, entgegnete verzweifelt:

»Ich kann nicht anders, als das behaupten, was wahr ist. Ich schwöre, dass ich nicht zu Hause gewesen bin.«

»Ist der Portier hier?«, frug der Untersuchungsrichter.

Herr Grafe, ein kleiner, verwachsener Mann, trat vor.

»Hätten Sie den Angeklagten sehen müssen, als er das Haus verließ und zurückkehrte?«

Der Portier antwortete, indem er seine Worte durch wütende Gesten begleitete:

»Ich behaupte, Herr Untersuchungsrichter, dass kein Mensch seit gestern Abend neun Uhr bis jetzt das Haus betreten oder verlassen hat, ohne von mir gesehen worden zu sein. Ich hatte nämlich gerade heute die Nachtwache, und ich lasse mir nicht nachsagen, dass ich meine Pflicht vernachlässige. Ich habe ununterbrochen durch das kleine Fenster in meiner Loge geblickt, umso mehr, als die Haustür nach der Verordnung auch die Nacht über geöffnet bleiben muss.«

»Sie haben den Angeklagten nicht bemerkt?«

»Nein!«

Der Untersuchungsrichter sah Albert Spielhagen vom Kopf bis zu den Füßen an.

»Sie haben gehört, was diese beiden Zeugen aussagten. Es dürfte erwiesen sein, dass Sie das Haus nicht verlassen haben. Bleiben Sie bei ihrer Aussage?«

»Ich kann nicht anders, Herr Untersuchungsrichter.«

»Haben Sie in der Zeit, wo Sie sich außer Haus befunden haben wollen, keinerlei Besuche abgestattet? Waren Sie mit Freunden zusammen? Können Sie irgendjemand nennen, der Sie in der Zeit gesehen hat?«

»Jawohl! Ich war bei —«

Aber Albert Spielhagen brach plötzlich mitten im Satze ab. Kalter Schweiß trat auf seine Stirne. Er war ja nicht imstande, sein Alibi nachzuweisen! Was nützte es ihm, wenn er der Wahrheit gemäß angab, dass er im Hause des Kommerzienrats Thüngen gewesen war! Niemand konnte es beweisen! Und was seinen Aufenthalt in der Wohnung Mr. Paws anlangte, hatte er alle Ursache, darüber zu schweigen.

Der Körper des jungen Chemikers zog sich förmlich zusammen. Es war ihm, als fühle er geradezu einen physischen Schmerz, den ihm die Kreise des Verhängnisses, die ihn umzogen, gleich unzerreißbaren Stricken, verursachten.

»Ich finde«, sagte der Untersuchungsrichter, »Sie würden besser tun, nicht nutzlos zu leugnen, nachdem Ihre Logik Ihnen sagen muss, dass das vergebliche Mühe ist. Geben Sie zu, die Nacht in diesem Zimmer zugebracht und Ihren Freund ermordet zu haben?«

Eine Weile hatte Albert Spielhagen mit starrem Ausdruck im Gesicht dagestanden. Plötzlich erhellten sich seine Mienen. Er konnte sich ja rechtfertigen! Er hatte das Mittel in der Hand, die Wahrheit zu beweisen! Er war noch nicht einmal gezwungen, sein Geheimnis vollständig preiszugeben, denn er konnte schon an einer Kleinigkeit das Exempel statuieren!

Mit diesem Bewusstsein gewann er auch seine Selbstbeherrschung und seine Sicherheit wieder. Mit einer hochmütigen Geste erklärte er:

»Es handelt sich um einen ganz außergewöhnlichen Fall, Herr Untersuchungsrichter, um einen Fall, der weder in Ihrer Praxis noch in der ganzen kriminellen Geschichte aller Zeiten ein ähnliches Beispiel aufweist. Ich habe trotz der Zeugenaussagen diese Nacht außerhalb des Hauses zugebracht; gleichwohl aber haben diese beiden Zeugen die Wahrheit gesprochen. Tatsache ist, dass mich niemand sehen konnte, denn ich war unsichtbar.«

Der Untersuchungsrichter sah den Angeklagten eine Weile an, schwankend, ob er einen Narren oder einen Schurken vor sich hatte, der selbst in dieser Situation den Mut fand, das Gericht zu verhöhnen. Dieselben Empfindungen malten sich auch auf den Gesichtern der übrigen Anwesenden. Albert Spielhagen ließ dem Richter aber gar nicht Zeit zu einer weiteren Frage.

Stolz, mit einer gewissen Nonchalance, fügte er hinzu:

»Sie werden mich vielleicht für verrückt halten, Herr Untersuchungsrichter, aber das ist ein Vorurteil, das ich in wenigen Sekunden zerstören werde. Allerdings hätte ich mein Geheimnis gerne noch für mich behalten, aber die Verhältnisse zwingen mich, Sie einzuweihen. Ich habe die Möglichkeit erfunden, mich unsichtbar zu machen, und werde ihnen das sofort ad oculos demonstrieren.«

Mit diesen Worten ging Albert Spielhagen auf einen kleinen Tisch zu, der im Hintergrunde des Zimmers stand. Aber auf halbem Wege machte er Halt. Seine Gestalt krümmte sich zusammen, die Augen traten aus ihren Höhlen, Schaum kräuselte sich auf seinen Lippen, und die Finger zogen sich krallenartig zusammen. In dieser Stellung verharrte der Student einige Augenblicke, wie zur Statue erstarrt, dann schrie er mit einer Stimme, die an das Brüllen eines Tieres erinnerte:

»Fort! Fort! Alles ist fort! Ich bin bestohlen! Betrogen! Beraubt!«

Ehe die Anwesenden überhaupt irgendetwas begriffen, warf sich Albert Spielhagen wie ein Wahnsinniger gegen den Tisch, stürzte ihn um, kroch auf allen Vieren in die Ecken, riss die Vorhänge von den Wänden, kurz, er gebärdete sich wie ein Rasender. Schließlich blieb er auf dem Boden liegen, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte, dass der schlanke, kräftige Körper wie ein Rohr im Schilf zitterte und der Gerichtsarzt besorgt herbeieilte.

Der Untersuchungsrichter, auf den bereits ein anderer Fall wartete, hatte keine Zeit, den Phantastereien des Angeklagten länger zu folgen. Er klappte die Akten zusammen, um sie sofort der Staatsanwaltschaft zu übergeben, und verfügte die Verhaftung Albert Spielhagens.

Gebrochen, unfähig, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, ließ dieser sich abführen. Die Schutzleute fuhren mit ihm im Lift hinunter, bestiegen die telefonisch herbeigerufene PolizeiDroschke und brachten ihren Gefangenen in das Zentralgefängnis am Spittelmarkt.


V.

Niemand hatte jenes quallenartige, hässliche, abscheuliche Etwas bemerkt, das wieder in der kleinen Spalte, welche zwischen den Vorhängen an der Glaswand sich gebildet, auf- und niedergeglitten war, während die für Albert Spielhagen so verhängnisvolle Verhandlung in seinem Zimmer stattgefunden hatte.

Kaum hatten die Schutzleute den Gefangen weggeführt, da wurde auch die Leiche fortgebracht.

Aus dem Zimmer, welches neben dem Albert Spielhagens lag, trat eine kleine Gestalt, näherte sich der Wirtin, die mit zusammengeschlagenen Händen soeben mit ihrer Nachbarin den ungeheuerlichen und traurigen Mord erörterte, der lediglich den einen guten Zweck hatte, dass er dem Bezirk Nr. 87 Gesprächsstoff und Gelegenheit für einige Tage gab, die Schlechtigkeit der Jugend zu bejammern und die Sittenreinheit des Alters ins klarste Licht zu rücken. Die Gestalt, welche sich der Wirtin näherte, hätte nicht unheimlicher sein können.

Es war ein Mann, dessen Alter kein Mensch beurteilen konnte. Er mochte ebenso gut zwanzig wie vierzig Jahre zählen, aber das glattrasierte Gesicht war von einer Beweglichkeit, dass es nahezu faltenlos erschien.

Der Kopf war unnatürlich groß und saß auf einem viel zu kurzen Hals, so dass es auf den ersten Blick aussah, als schließe er sich direkt an den verkrüppelten Rumpf an, der viel zu dick für die kurzen, mageren Beine war und überdies durch einen Höcker verunstaltet wurde.

Mit einem Wort: Dr. David — sein Familienname war nur wenigen bekannt — war ein Unikum von Hässlichkeit.

Seine verwachsene Figur hätte nun allerdings mehr Mitleid als Abscheu erregt, hätte man seinem Gesicht wenigstens Sympathie abgewinnen können.

Allein, ohne dass dieses von ausgesprochener Hässlichkeit gewesen wäre und dass man behaupten konnte, es zeuge von schlechten Leidenschaften, machte es doch durch einen weiteren Fehler auf jedermann einen so schauerlichen Eindruck, dass Dr. David eigentlich überhaupt keinen Freund besaß außer der Wissenschaft, in der er eine Kapazität war.

Die Verunstaltung seines Gesichts wurde durch eine Monstrosität hervorgerufen, die vielleicht darum doppelt unheimlich wirkte, weil sie bei wenigen anderen Menschen beobachtet werden konnte. Durch ein grausames Spiel der Natur besaß Dr. David zweierlei Augen.

Während das eine von normaler Größe und grünlichem Schimmer war, erschien das andere so unnatürlich groß, dass es in der Augenhöhle nicht Platz gefunden hatte. Es hing also förmlich über die Höhlung heraus, während die Lider verkümmert geblieben waren. So gewährte dieses Auge, welches eine tiefschwarze Färbung hatte, einen Eindruck, dessen Unheimlichkeit sich nicht beschreiben ließe.

Es stand groß, drohend, fürchterlich und ekelhaft zugleich aus dem ganzen Gesichte hervor, beherrschte es, drängte alles andere in den Hintergrund und regierte so durch seine Ungeheuerlichkeit das ganze Antlitz, die ganze Gestalt dieses Mannes, der sich in diesem Augenblick mit einer devoten Verbeugung, die ihm zur zweiten Natur geworden war, Frau Holländer näherte.

Er stellte einige Fragen an sie betreffs des Verbrechens der vergangenen Nacht und äußerte einiges über die Wahrscheinlichkeit, dass er in der Hauptverhandlung wohl auch als Zeuge vernommen werden würde.

»Freilich! Freilich!«, entgegnete Frau Holländer. »Sie wohnen doch Wand an Wand mit ihm! Haben Sie denn nichts in der vergangenen Nacht gehört?«

»Nichts, Frau Holländer! Im Übrigen wissen Sie ja, dass ich über einen sehr gesunden Schlaf verfüge.«

Sie nickte.

»Ja, ja! Die Gerechten leiden nicht an Schlaflosigkeit!«

Dr. David lächelte verbindlich für dieses Kompliment, das er in seinem ganzen Umfange auf sich bezog, und ging dann wieder in sein Zimmer zurück.

Er schob den Vorhang, welcher der Ritze in Albert Spielhagens Zimmer gegenüber lag, zusammen, nachdem er flüchtig noch einmal sein Auge gegen die Glaswand gehalten und hindurchgesehen hatte. Kaum wusste er sich allein, da tanzte er in ungeschlachten Bewegungen, die ebenso bizarr wie abscheulich waren, in dem Zimmer auf und ab.

Atemlos stürzte er auf ein kleines Kästchen zu, riss eine Fotografie aus der Schublade, presste sie an seine schwulstigen Lippen und setzte seinen gliederverrenkenden Tanz fort, bis er endlich erschöpft und atemlos in einen Sessel sank...

Es war zehn Uhr morgens. Die riesigen elektrischen Heizöfen, von denen jede Straße ein solches Monstrum besaß, waren längst in Tätigkeit. Die Lichter, welche die ganze Nacht hindurch gebrannt hatten, waren teilweise erloschen und dem Tageslicht gewichen, doch konnte jeder Hausbewohner sein Licht nach Belieben regulieren, indem er sich mit der nächsten Station in Verbindung setzte.

Dr. David war an das hohe Fenster getreten und sah hinaus über das endlose Berlin, das nach genauer Schätzung seit fünfzehn Jahren London überflügelt hatte. Allerdings — wäre ein Sterblicher aus dem zweiten Jahrtausend zu dieser Zeit in die deutsche Hauptstadt gekommen, er würde sich über den durchaus praktischen Charakter der Stadt vielleicht mehr gewundert haben, als über ihre Größe. Von schönen Bauten schlechthin konnte man im Mittelpunkt Berlins überhaupt nicht reden. Alles war rein für praktische Zwecke gebaut und eingerichtet, aber doch nach einem bestimmten Stil und System, dass man diese Bauten selbst wieder harmonisch nennen musste.

Der Blick über Berlin war überwältigend. Kein Rauch, der schlecht gebauten Schornsteinen entstiegen wäre, verdunkelte die Luft. Klar wie Kristall lag sie über den Riesenbauten; die Sonne stand gleich einem geheimnisvollen Ball am stahlblauen Himmel. Sie hatte ihr Aussehen verändert. Äußerst selten sah man sie noch in jenem blendenden Weiß, in dem sie die früheren Erdeinwohner hatten bewundern können. Meistens war sie rot, und dieses Rot wechselte vom zarten Rosa bis zur purpurnsten Glut. Konnte man sich etwas Schöneres denken, als diesen feurigen, gigantischen Ball und unter ihm die in mattes Rot getauchte Riesenstadt?

Vergeblich hätte der Blick eines früheren, längst in Staub und Asche zerfallenen Berliners nach den Denkmälern großer Männer gesucht. Für prunkvolle Statuen war kein Platz mehr in Berlin. In der Nähe von Schöneberg, das zum Zentrum der Stadt gehörte, stand ein riesiger Prachtbau, dem der goldene Tempel zu Baalbek als Muster gedient. Dort waren die Büsten aller berühmten Männer aus allen Zeiten aufgestellt. In einer riesigen Gruft aber lagen die Toten der letzten Jahrhunderte selbst in gläsernen Särgen; jeder Besucher dieser Riesenhalle, der bei der Regierung um ein Billett nachsuchte, konnte die Könige und großen Staatsmänner, die Gelehrten und Techniker sehen, wie sie im Leben waren. Die Fähigkeit, die menschlichen Leichname einzubalsamieren, hatte die Kunst der alten Ägypter weit überflügelt.

Schon im zwanzigsten Jahrhundert hatte sich eine bestimmte Vorliebe in Berlin für altassyrische Kultur geltend gemacht. Seit damals war man unaufhörlich fortgeschritten, nicht nur assyrische und babylonische, sondern auch nach Möglichkeit ägyptische Kultur nach Berlin zu verpflanzen, und diese Bestrebungen traten in mannigfacher Weise hervor. Es gab z. B. in Berlin eine eigene theosophische Gemeinde, die Baal als höchsten Gott verehrte, und da im dritten Jahrtausend vollständige Religionsfreiheit herrschte, so konnten diese Schwärmer ungestraft dem altchaldäischen Gott einen eigenen Tempel bauen. Allerdings hatte die Vorliebe für orientalische Geschichte die Rücksicht auf Hellas verdrängt. So war z. B. in den Gymnasien nicht mehr Griechisch und Lateinisch, sondern die assyrische Keilschrift obligatorisch.

Dr. David war eine Koryphäe auf dem Gebiete chaldäischen Wisssens; war ihm doch erst kürzlich wegen dieser Fähigkeiten der Posten eines Intendanten der Kgl. Opern angetragen worden. Dr. David aber hatte durch seine Hässlichkeit, die in einem grellen Gegensatz zu seinen, durch alle Raffinements der Kultur gepflegten Mitmenschen stand, so viele schlechte Erfahrungen gemacht, dass er vorzog, in seiner Einsamkeit weiter zu leben.

Er trat vom Fenster zurück und betrachtete wiederum die kleine Fotografie mit einem Ausdruck des vollendeten Entzückens. Dieses Bild stellte eine junge Frau von höchstens sechsundzwanzig Jahren vor. Es war eine majestätische Erscheinung. Die Toilette der neuesten Mode, welche der ägyptischen Tracht unter dem König Ramses II. angepasst war — die ersten Pariser Modezeichner hatten fünf Jahre in Ninive Studien getrieben, um diese Mode zu erfinden — gab der Figur einen märchenhaften Reiz.

Der Typ des vornehm geschnittenen Gesichtes wies eine leise Verwandtschaft mit der romanischen Rasse auf. Die edle Nase wurzelte in zarten und fast gerade geschwungenen Brauen; die Augen waren selten groß, von feuchtem, träumerischen Glanz; der Mund war klein, stark geschweift, ohne starre Linie, zum Küssen geschaffen.

Das runde Kinn verlieh dem Antlitz frauenhafte Weichheit; das dichte, bläuliche Haar — eine Seltenheit in dieser Zeit — hatte die junge Frau mit Recht in den Ruf einer Schönheit gebracht.

Minuten vergingen, während welcher der Blick Dr. Davids wie starr auf diesen Zügen haftete. Dann sagte er zu sich selbst:

»Endlich also, geliebte Miranda, du seltenes Kleinod in dem Kranze spätzeitiger Schönheiten, du Perle auf dem Grunde sterbender Kulturen, du, zu der ich mich in wahnsinniger, gigantischer Liebe verzehre, du wirst mein werden! In meiner Hand liegt die Kraft und die Fähigkeit, den Hohn der Natur zu besiegen, die giftige Missgunst des Schicksals zu verlachen!

In meiner Gewalt befindet sich die phänomenale Erfindung dieses Toren, den sie in diesem Augenblicke vielleicht schon vor das Tribunal geschleppt haben!

Warum mache ich mir Vorwürfe? Warum bringe ich mein Gewissen nicht zum Schweigen? Was habe ich getan?

Dasselbe, was Hunderte und Tausende vor mir verbrachen, ohne sich selbst zur Rechenschaft zu ziehen, ohne von der Mehrheit angeklagt zu werden! Napoleon hat Tausende von Menschen kalten Blutes niedergemetzelt, die Legionen Cäsars gingen mit ehernem Schritt über ungezählte Leichen, Alexander watete durch Blut — war ihr Ziel ein größeres als das meine? Sie waren Sklaven einer Idee, die nur in ihrem Egoismus, in ihrer Herrschsucht gewurzelt hat. Cäsar wollte Imperator werden, Napoleon wollte die Welt regieren, Alexander gar wollte Gott sein — sind alle diese Wünsche nicht weit frevlerischer gewesen, als der, den ich dem Schicksal abgerungen habe?

Ich suchte ja nur die Liebe.

Ist mein Verbrechen darum größer? Was wäre die Erfindung, die vielleicht die größte ist seit Jahrtausenden, in den Händen dieses Mannes gewesen, der alles besaß, was er sich wünschte? Ich weiß, dass ein schönes reiches Mädchen ihm zugetan war; er hatte Freunde, die ihn bewunderten und verehrten; seine Figur erregte das Gefallen der Frauen, sein Gesicht war regelmäßig, seine Seele gesund wie sein Körper, und sein Verstand ragte nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus.

Er konnte glücklich sein, ohne die dämonische Kraft, die der blinde Zufall ihm in den Schoß warf. Diese Kraft hat nur Wert in den Händen dessen, der unglücklich ist. Nur das Leid, nur die rasende Verzweiflung schafft Giganten, nicht aber das mittelmäßige Glück der Toren!

Warum also schweigt mein Gewissen nicht, dass ich in dieser Nacht heimlich in das Zimmer meines Nachbarn mich schlich, dass ich den Freund anfiel, der das Geheimnis der Erfindung bewachte, dass ich ihn tötete und mich in den Besitz dieses unbezahlbaren Schatzes setzte?«

Dr. Davids spinnenartige Finger wühlten in den geheimnisvollen indischen Pflanzen. Die stete Einsamkeit, in der er sich, der Not gehorchend, gefiel, hatte ihm die Unterhaltung mit sich selbst und mit toten Gegenständen zur Gewohnheit gemacht. Stunden- und tagelang pflegte er mit sich selbst zu sprechen. Einem Gedanken folgend, der alle anderen Empfindungen, die in ihm lebten, zurückdrängte, fuhr er fort, von Neuem mit verzehrenden Blicken das kleine Bild betrachtend:

»Wenn die Natur in wilder Grausamkeit den einen mit abscheulicher Ungerechtigkeit behandelt, während sie über den anderen den Segen ihres Glücks ausgießt, dann hat der erste das Recht, sich selbst das Glück zu verschaffen.

Ach! Wiegt die Kraft, die jetzt in mir ist, die stummen, quälenden Fragen des Gewissens nicht auf? Könnte ich mehr noch wünschen? Ich will nicht herrschen, ich will nicht reicher sein als ich bin; ich will nicht mehr wissen als ich weiß; ich will nicht gesünder sein als ich bin; gut — ich verzichte auch darauf, diesen abscheulichen, missgestalteten Körper gerade gewachsen zu sehen; ich habe mich an das Bewusstsein gewöhnt, hässlich zu sein. Aber ich will nicht, dass mich die, zu deren Füßen ich wie ein Hund schon gelegen, bettelnd um Liebe, länger verlacht und verachtet. Was will ich von ihr? Lässt sich das in Worte fassen? Ich wünsche nicht, sie zu besitzen. Nur um sie sein zu können, sie täglich und stündlich sehen, sie stets anbeten zu können, sie bewundern zu dürfen, neben ihr atmen zu können im Schatten ihres Glückes und ihrer Schönheit, sie immer und stets lieben zu dürfen, ohne dass mein Herz in ihrem unbewusst spöttischen Lächeln erstarrt, ohne dass alle Gedanken sich gleich gepeitschten Hunden in das Innere der Seele verkriechen müssen — das erschiene mir als das höchste Glück.

In meiner Macht liegt es jetzt, glücklich zu sein. Nicht schön werde ich sein; nicht als wohlgestalteter Jüngling werde ich vor sie treten, um ihre Liebe betteln, die einem andern gehört, dessen Gattin sie geworden ist. Ich will jenen nicht bestehlen und nicht berauben. Ich will nur hingehen, wo sie ist, wenn die Sehnsucht mich quält. Still will ich neben ihr sitzen, wenn sie im Schaukelstuhl liegt, in die Lektüre der Zeitung vertieft, schweigend still will ich neben ihr gehen, wenn sie die Gärten der Isis, die hinter ihrem Hause sich dehnen, durchwandelt; beschützen will ich sie, wenn ihr Gefahr droht; den Saum ihres Kleides will ich küssen, den Duft ihrer Hände will ich atmen, in dem wundersamen Glanz ihrer Augen sollen sich meine schweigenden Wünsche spiegeln.«

Er lief eine Weile mit zappelnden Schritten erregt in dem Zimmer auf und nieder, dann schrie er, einem plötzlichen Anfall von Paroxismus erliegend:

»Ha! Wiegt dieses Glück nicht einen Mord auf? Hat ein Einzelner nicht das Recht, glücklich zu sein? Mögen nach mir andere die dämonische Kraft dieser Erfindung erproben! Ich will sie geheim halten, ich will sie nur für meine Zwecke ausnutzen, ich werde niemandem schaden und niemandem nützen als mir selbst!«

Und Dr. David setzte sich nach diesem langen Selbstgespräch in die Mitte des Zimmers, machte sich die Flüssigkeit zurecht, so, wie er Albert Spielhagen belauscht, und begann, seinen hässlichen, missgestalteten Körper in den Mantel der Unsichtbarkeit zu hüllen.

Da er beständig sich in seinen Vorbereitungen unterbrach, die Folgen beobachtend, die die Flüssigkeit hervorbrachte, bald sie verstärkend, bald abschwächend, immer von Neuem das Bild liebkosend und durch die krallenartig gekrümmten Finger das geheimnisvolle Pulver gleiten lassend, so brach der Abend herein, ehe Dr. David das Geheimnis eines durch Blutschuld gewonnenen Schatzes erproben konnte.

Inzwischen war Albert Spielhagen bereits vor dem Tribunal erschienen. Zu dieser Zeit schüttelte jeder Student der neuen Rechte den Kopf, wenn er las, dass im zweiten Jahrtausend Wochen und Monate vergingen, ehe ein Verbrecher der Aburteilung entgegengeführt werden konnte.

Nur bei ganz schwierigen und verwickelten Zivilprozessen, wo sich im Laufe der Verhandlung die Notwendigkeit herausstellte, neue Erhebungen zu pflegen, währte ein Prozess länger als höchstens achtundvierzig Stunden. Das Ineinandergreifen so vieler untergeordneter Kräfte, von denen jede für sich ein Pensum erledigte, machte es möglich, besonders Prozesse gegen Schwerverbrecher mit ungewöhnlicher Schnelligkeit zu erledigen. Die Zeiten waren vorbei, wo das Publikum sich wochenlang in den Sensationen und Erwartungen wiegen konnte. Keine Zeitung brachte mehr spaltenlange und interessante Berichte über einen Verbrecher, über sein Vorleben, über die Tat. Diese Verrohung des Geschmacks war dem Publikum des dritten Jahrtausends unbekannt. Aufgewachsen und erzogen im Sinne für das Reale und Praktische, ergab sich niemand mehr dem Nervenreiz einer blutgeschwängerten Einbildungskraft. Die Zeitungen brachten lediglich den Bericht der Tat, der Verhaftung, der Aburteilung. Diese einzelnen Momente brachte sie allerdings ausführlich, sachlich, klar, und zwar verlegten sie das Hauptgewicht auf die logische Auseinandersetzung der Details, die für die Schuld oder für die Unschuld des Angeklagten sprachen. Diese Berichte wurden aber nicht von sensationslüsternen Journalisten verfasst, sondern sie kamen direkt aus dem Büro des ersten Staatsanwaltes, der in Verbindung mit einem Stab von etwa sechzig geschulten Juristen die einzelnen Berichte unparteiisch ausarbeitete.

Da bei der Fülle von Material, welches die Justiz zu bewältigen hatte, das sensationelle Interesse der Öffentlichkeit völlig fehlte, hatte kein Staatsanwalt Gelegenheit mehr, hervorzutreten. Er hatte also auch kein Interesse, Verurteilungen herbeizuführen, und war ganz einfach nicht mehr und nicht weniger als des Staates Vertreter, dessen Karriere von den mehr oder weniger umfangreichen Verurteilungen in keiner Weise abhängig war.

Die umfangreiche Verständigung des Publikums durch die Presse war in einem neuen Gesetz, welches im Jahr 1989 gegeben worden war, bedingt. Das Tribunal war die erste Instanz, welche über jeden Mörder zu entscheiden hatte. Die Berufung wurde noch am gleichen Tage von der zweiten Instanz, die sich aus drei Juristen und drei Beisitzern des Volkes zusammensetzte, erledigt. Sie hatten die Pflicht, dem ersten Prozess selbst bereits als Zuhörer beizuwohnen. Nach ihnen kam die zweite Berufungsinstanz, d. h. das dritte Gericht, welches auf alle Fälle die Urteile der beiden Vorinstanzen durchzuprüfen hatte: Das Volk.

Täglich trat eine Abordnung aus allen Ständen und Kreisen des Volkes zusammen. Diese Delegierten wurden jeweils für einen Tag gewählt, an welchem sie von der Nation bezahlt wurden. An diesem Tage bildeten sie einen außergewöhnlichen Gerichtshof, der nicht weniger als neunundneunzig Mitglieder zählen durfte. Diese 99 Mitglieder des Volksgerichtshofes hatten ihrerseits zum dritten Male über den Angeklagten zu stimmen, nachdem ihnen die Urteile der Erstrichter vorlagen. War auch von diesem vollständig unparteiischen Gerichtshof über den Angeklagten der Stab gebrochen, dann gab es für ihn keine Berufung mehr.

Fünfundvierzig Jahre lang war die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft gewesen. Im Jahre 2110 war sie von Neuem eingeführt worden, nachdem das Verbrechen in erschreckender Weise überhand genommen hatte und die Nation nicht mehr die Mittel aufbringen konnte, diese Bestien im Gefängnis unterzubringen. Damals war eine Bill angenommen worden, die gerade das Gegenteil von dem bezweckte, was eine unangebrachte Humanität 45 Jahre lang angestrebt hatte. Von der Überzeugung ausgehend, dass Menschen, die sich mit einer Blutschuld beladen, auf alle Fälle untauglich für die menschliche Gesellschaft seien, war jedes Begnadigungsrecht aufgehoben worden. Überwiesene Verbrecher wurden unter allen Umständen aus dem Leben gemerzt. Diebe oder andere Verbrecher wurden für kürzere oder längere Zeit zu Zwangsarbeiten verwendet, d.h. sie wurden aus vollrechtlichen Bürgern zu Sklaven degradiert. War ihre Strafe vorüber, so wurden die Akten, die sich mit dem betreffenden Fall beschäftigten, beiseite gelegt und erst wieder hervorgeholt, wenn der Verurteilte von Neuem angeklagt wurde. Hatte ein Verbrecher sich mehr als dreißig Jahre Zwangsarbeit insgesamt zugezogen, so wurde seine Strafe ohne Weiteres in eine lebenslängliche umgewandelt.

Albert Spielhagen trat vollständig gebrochen vor seine Richter. Die Erklärungen, die er abgab, führten in einer halben Stunde zu seiner Verurteilung. Eine Untersuchung auf den geistigen Zustand des Betreffenden kannte man nicht mehr, denn man fand es für unzweckmäßig, nachzuforschen, ob der betreffende Verbrecher mit oder ohne Zurechnung gefehlt hatte. Man ging von der Überzeugung aus, dass auch unzurechnungsfähige Verbrecher aus der Gesellschaft für immer ausgemerzt werden müssten.

Darum regte sich auch niemand über die Möglichkeit auf, an welche auch die Richter dachten, dass Albert Spielhagen ein Wahnsinniger sein könnte. Eine Stunde später, nachdem er von dem Erstgericht zum Tode verurteilt war, stand er vor dem Appellationsgericht, das nach einstündiger Beratung das Urteil des Erstgerichts bestätigte. Abends um neun Uhr, vierundzwanzig Stunden, nachdem Albert Spielhagen als Triumphator die Straßen Berlins betreten, verantwortete er sich vor dem Gericht der Neunundneunzig. Diese hatten bereits die Akten geprüft und überzeugten sich durch eine persönliche Verhandlung, die eine halbe Stunde dauerte, gleichfalls von der Schuld des Angeklagten. Das letzte, endgültige Urteil lautete auf »Vernichtung«. Das Wort »Tod« kannte man im juristischen Sprachkodex nicht mehr. So wie es niemandem einfiel, bei einem Tiere von »Sterben« zu sprechen, so lautete der letzte Endspruch der Gerichte für einen Verbrecher nicht auf »Tod«, sondern auf »Vernichtung«.

Albert Spielhagen wurde abgeführt. Ins Gefängnis zurückgebracht, schloss man ihn in eine Zelle ein, welche mit einer gewissen Sorgfalt eingerichtet war. Albert Spielhagen fand außer einem einfachen Feldbett einen bequemen Stuhl, einen Tisch und einen riesigen Schrank vor, der beinahe die Hälfte des Zimmers einnahm. Dieser Schrank enthielt über 200 Bücher, die teils belletristischen, teils philosophischen Inhalts waren.

Ein Strahl der Hoffnung fiel in das verzweifelte Herz des Verurteilten. Wenn man ihm eine solche Bibliothek zur Verfügung stellte, so konnte man ohne Zweifel nicht daran denken, das Urteil in nächster Zeit zu vollstrecken. Der Unglückliche vertiefte sich in die Lektüre Goethes und begab sich gegen elf Uhr, ruhiger als er diesen Tag verlebt, zu Bett.

Bald umfing ihn ein wohltätiger Schlaf. Der Verurteilte wusste von nichts, als drei Herren in schwarzer Kleidung in sein Zimmer traten.

Der eine von ihnen beobachtete den Schläfer eine Weile, dann gab er den beiden andern mit der Hand ein Zeichen. Augenblicklich drückte einer seiner Begleiter auf einen geheimen Knopf, dessen Existenz Albert Spielhagen sicherlich entgangen war.

Ein leises, kaum hörbares Klappen ließ sich vernehmen. Die Finsternis, die in der Zelle geherrscht, wurde zur völligen Undurchdringlichkeit.

Lautlos, wie Schemen, verließen die drei ernsten schwarzen Männer die Zelle. Leise glitt die schwere Tür ins Schloss.

»Alles in Ordnung?«, fragte der eine, der seine Begleiter beinahe um Haupteslänge überragte. Seine Bewegungen waren gemessen und vornehm, aber die gelbe Hautfarbe verlieh ihm das Aussehen einer unheimlichen Wachsfigur.

»Alles in Ordnung, Herr Scharfrichter«, entgegnete einer seiner Untergebenen.

»Die Wände sind hermetisch verschlossen?«

»Jawohl. Kein Lufthauch kann mehr in die Zelle gelangen.«

Der Scharfrichter von Berlin sah auf die Uhr.

»Schalten Sie den Strom ein!«, sagte er. Sechzig Prozent Chloroform und 40 Prozent Morphium. Ich glaube, zwanzig Minuten werden bei diesem jungen Manne genügen.«

Der zweite Begleiter des Scharfrichters drückte auf einen Knopf, der in die Außenwand der Zelle eingelassen war. Man vernahm ein surrendes Geräusch, das aber augenblicklich verstummte. Dann trat Totenstille ein.

Der Scharfrichter stand, die Uhr in der Hand, schweigend neben seinen Gehilfen. Nachdem fünf Minuten verflossen waren, drückte er gegen die Wand, und augenblicklich öffnete sich eine geheime Tür, hinter der er verschwand. Er tat einige Schritte nach vorwärts. Dann drückte er wiederum auf einen elektrischen Schaltknopf, und im nächsten Moment blickte er in die Zelle des Verurteilten, die augenblicklich taghell beleuchtet war.

Jeder andere Mensch, und wären seine Nerven noch so geschmeidig und unempfindlich gewesen, hätte den Anblick nicht ertragen, der sich dem Scharfrichter von Berlin bot. Aber dieser, vertraut mit seinem Berufe, gewöhnt an diese Bilder, die nur für die Augen der Laien Schreckliches boten, zuckte mit keiner Wimper.

Der Boden der Zelle hatte sich teilweise in der Mitte geöffnet. Aus einer geheimen Kammer, die sich dicht unter der Zelle befand, wurde diese jetzt mit einem betäubenden Narkotikum gespeist, das mit den Augen natürlich nicht bemerkbar war; und doch hätte man glauben können, dieses furchtbare Gift zu sehen, dessen Wirkung bereits in erschreckender Weise eingesetzt hatte.

Albert Spielhagen, der erst sein Gesicht der Wand zugekehrt hatte, lag jetzt auf dem Rücken. Sein Körper wand und dehnte sich in konvulsivischen Zuckungen, während eine schauderhafte Blässe, die von Zeit zu Zeit mit einer wachsgelben Färbung wechselte, sein Antlitz überzogen hatte. Seine Augen waren fest geschlossen, die Brust ging immer rascher und schwerer auf und nieder. Von Zeit zu Zeit konnte der Scharfrichter beobachten, dass sich die Hände des Jünglings krampfhaft in die Decken seines Lagers krallten, ja, mehrmals schien es, als würde der ganze Körper durch eine magische Kraft in die Höhe gehoben, als schwebe er sekundenlang, seines Schwergewichtes beraubt, in der Luft.

Der Scharfrichter sah auf die Uhr.

»Zehn Minuten«, murmelte er.

Die Bewegungen des Sterbenden wurden schwächer.

Sie nahmen einen anderen Charakter an. Während der Körper erst unter der Einwirkung des Giftes sich förmlich gewunden hatte, lag er jetzt minutenlang starr und steif, ohne jede Regung und Bewegung. Dazwischen aber durchfuhr es die Glieder des Verurteilten plötzlich, als seien sie von einem elektrischen Strom getroffen worden. Sie ringelten sich förmlich zusammen, dehnten sich wieder aus. Dann schlug Albert Spielhagen mit Armen und Beinen um sich. Noch einmal schienen alle Lebensgeister in dem Sterbenden lebendig zu werden. Er raffte sich halb auf. Sein Oberkörper schwebte eine Weile in der Luft, während die Arme sich an den Körper pressten; dann sank der Kopf schlaff nach rückwärts und zog durch seine Schwere den Oberkörper auf der linken Seite des Bettes hinab. So blieb der Sterbende liegen. Sein Haupt berührte die Erde, der rechte Arm klammerte sich noch an das Bett, der linke lag ausgestreckt auf dem Boden, während die Füße noch in dem Lager einen Stützpunkt fanden.

Der Scharfrichter hob die Uhr.

»Fünfzehn Minuten«, sprach er vor sich hin.

Fünf Minuten verharrte er schweigend und beobachtete den Toten. Es war lediglich eine Vorsichtsmaßregel, welche die Justiz vorgeschrieben, dass man den Leichnam noch fünf Minuten in der Totenkammer dem Einfluss des Narkotikums überließ. Die Wissenschaft hatte festgestellt, dass in längstens einer Viertelstunde der Tod bei einem völlig gesunden jungen Manne eintreten musste, während alte und schwächliche Menschen schon in wenigen Minuten dem tödlichen Gifte erlagen.

Das Antlitz des Scharfrichters verlor keinen Augenblick seine fatalistische Ruhe; er schien versteinert zu sein in seiner Herzlosigkeit und Ruhe. Man hätte darum meinen können, dieser Mann, der sehr glücklich verheiratet war und in der menschlichen Gesellschaft eine geachtete Stellung einnahm, sei nicht besser gewesen als ein herzloses, grausames Tier, unempfindlich für die furchtbarsten Qualen seiner Mitmenschen.

Aber der Scharfrichter wusste, dass diese scheinbar von schrecklichen Schmerzen getragenen Zuckungen der Sterbenden nichts weiter als Reflexbewegungen waren.

Die Wissenschaft hatte ungezählte Experimente angestellt, ehe die Justiz dieses Verfahren zur Tötung von Menschen akzeptiert hatte. Es war unwiderleglich bewiesen, dass die Sterbenden nicht die geringste Schmerzempfindung hatten.

Es kam auch selten vor, dass ein Leben sich mit solcher Zähigkeit und Widerstandskraft gegen den Tod wehrte, wie dies bei Albert Spielhagen der Fall gewesen war. Jetzt hatte sein Gesicht eine grünliche Färbung angenommen. Die geschlossenen Augen waren tief in ihre Höhlen zurückgesunken, die Nase schien spitzer geworden. Das Kinn trat noch mehr hervor als im Leben. Die Lippen bildeten nur mehr zwei schmale, blasse Streifen, und die Brust sank von Minute zu Minute tiefer zusammen.

»Zwanzig Minuten!«, murmelte der Scharfrichter und verließ seinen geheimen Beobachtungsposten. Draußen warteten immer noch seine zwei Gehilfen.

»Den Strom abstellen«, befahl der »Herr von Berlin«, wie der Scharfrichter im Verbrecherjargon hieß.

Eine Minute später war die Klappe in der Zelle geschlossen, und mehr als zwanzig geheime Fenster öffneten ihre Flügel, um der frischen Luft Zutritt zu gewähren, die einerseits aus dem Zuchthausgarten hineindrang, andererseits durch eine Dynamomaschine künstlich in das Zimmer gepresst wurde.

Nach Verlauf einer halben Stunde betraten die Totengräber die Zelle Albert Spielhagens.


VI.

Dr. David war mit seinen Vorbereitungen zu Ende. Er war unsichtbar geworden. Noch räumte er die kostbaren Pflanzen und das Pulver, welche er durch ein Verbrechen an sich gebracht hatte, in eine geheime Schublade seines Schreibtisches, dann drückte er leise die Tür ins Schloss und verließ, genau wie Albert Spielhagen vor einem Tage und einer Nacht, die Wohnung.

Im Vestibül angekommen, zauderte er eine Weile.

Soeben war ein junger Mann eingetreten, der einige Worte mit dem Portier wechselte.

Dr. David kannte ihn. Keinen Menschen hasste er mehr als diesen, und das wollte etwas besagen, denn Dr. David hasste alle, die schöner, kräftiger und gesünder waren als er.

Der junge Mann war wie ein Dandy gekleidet.

Das Vorrecht der Jugend leuchtete aus seinen Augen; seine Gestalt war kraftstrotzend, sein Gang voll Selbstbewusstsein, die heiteren Züge trugen den Stempel des Übermutes.

Er verabschiedete sich von dem Portier und machte noch einmal vor einem der großen Spiegel, die das Vestibül schmückten, Halt, um sich zu betrachten.

»Aha!«, dachte Dr. David. »Wahrscheinlich kommt er soeben von der Gräfin Marelli, von der man behauptet, sie sei seine Geliebte. Oder er hat eben ein flottes Gelage hinter sich; dieser Barbar verfügt über eine unverwüstliche Gesundheit; doch ich wette, er ist hierher gekommen, um die kleine Näherin zu besuchen, die im sechsundfünfzigsten Stockwerk das letzte kleine Dachfenster bewohnt. Sie ist hübsch, reizend, hahahaha! Ich glaube schon, mein Junge, dass sie dir gefällt! Vermutlich wird sie sich nicht spröde zeigen, die Kleine, denn man sagt, der Junge sei nicht arm! Ah! Ich hasse ihn!«

Er war hinter den jungen Mann getreten, der vor dem Spiegel seine Krawatte in Ordnung brachte. Plötzlich aber zögerte seine Hand. Wie erstarrt hing sie an dem Krawattenknoten. Sein Gesicht wurde fahl wie das Antlitz einer Leiche. Seine Augen wurden unnatürlich groß; er wollte entfliehen, man sah es an seiner hastigen, unvermittelten Bewegung — aber er konnte nicht. Eine dämonische Gewalt schien ihn an seinen Platz zu bannen. Kalter Angstschweiß trat auf seine Stirn.

Über die Scheibe des Spiegels lief ein schauerliches, ekelhaftes, furchtbares Etwas; ein niederträchtiges Tier, nach dem der Jüngling nicht einmal zu greifen wagte. Die Berührung mit diesem weichen, schlüpfrigen Monstrum müsste ihm durch Leib und Seele gehen, dachte er. Vergeblich versuchte er, sich aus dem Netze zu befreien, das dieses glitscherige Tier vom Spiegel aus um ihn spann. Er schrie laut auf, er brüllte, als sei er von einem furchtbaren physischen Schmerz befallen, und als der Portier und verschiedene Hausbewohner hilfsbereit herbeieilten, da schlug der Jüngling eben mit der Faust in die Spiegelscheibe, dass sie klirrend zerschmetterte; sein Körper aber wand sich in grässlichen Krämpfen am Boden.

Das hohnvolle Kichern Dr. Davids wurde von dem Geschrei des Gemarterten übertönt. Mit tänzelnden Schritten entfloh er aus dem Haus. Sein Triumph war ohne Grenzen.

Er war mächtiger, größer, gewaltiger, als er auch nur gewagt hatte, zu vermuten. Er konnte sich nicht nur verbergen; er war imstande, sich an all seinen Feinden zu rächen! Ein Schrecken der Menschheit konnte er werden! Mit diesem einen Augapfel, den er Hunderte Mal verflucht, den er sich am liebsten aus der Höhle gerissen hätte, konnte er mehr Unheil anrichten als der stärkste, kräftigste seiner Feinde.

Aber die Erfahrung der letzten Minuten hatte Dr. David auch vorsichtig gemacht. Er hielt die rechte Hand vor dieses Auge, das allzu leicht zum Verräter an ihm werden konnte. Er war auch weniger leichtfertig als Albert Spielhagen. Geschickt wand er sich durch die hin und her wogende Menschenmenge hindurch, und ohne eine Fahrgelegenheit zu benutzen, schlug er den Weg nach der Hallenser Hauptstraße ein, wo Frau Miranda von Hohenaar, die Gattin eines der ersten Verwaltungsbeamten des Deutschen Reiches, wohnte.

Einige Minuten stand er, nachdem er den Vorhof durchschritten, vor einem massiven eichenen Tore still. Es war dunkel ringsum. Ungeduldig glitt die Gestalt Dr. Davids bald nach links, bald nach rechts, als könne er durch eine Ritze der Tür oder durch das Schlüsselloch endlich in das Innere gelangen.

Die Ungeduld verzehrte ihn. Tastend glitten seine Hände über die kunstvoll geschnitzten Ornamente — da — Dr. Davids Kopf hob sich instinktiv in die Höhe — da durchzuckte plötzlich ein Blitz die Finsternis.

Dann war es wieder still. Ehe Dr. David über das Phänomen hatte nachdenken können, wurde die Tür von einem vornehmen, etwa dreißigjährigen Manne geöffnet, der sich rasch entfernte. Es war der Hausherr gewesen.

Dr. David hatte geschickt die Gelegenheit erspäht und war ins Innere des Hauses geeilt.

Er glitt über die mächtige Freitreppe, deren granitene Stufen unter den weichen, fabelhaft kostbaren Perserteppichen verschwanden. Weiche Felle im Aussterben begriffener Pelztiere liebkosten den Fuß. Dr. David hatte die erste Treppe des riesigen Lichthofes hinter sich und machte zaudernd in dem weiten Korridor Halt. Eine afrikanische Zofe, die an ihm vorübereilte, lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine weiße, mit Goldleisten eingelegte Tür am Ende des Ganges.

Dr. David glitt unhörbar hinter der Zofe her und schlüpfte gleich hinter ihr in das Zimmer.

Es war geräumig, von weicher, angenehmer Wärme durchflutet. Der Fuß versank in einem Meer von Zobelpelzen, die den Boden verdeckten. Die Einrichtung des Zimmers war phantastisch wie der Charakter der jungen Frau sein musste, die nachlässig zurückgelehnt in einem breiten Korbsessel saß. Scheinbar nachdenklich blies sie den Rauch der Zigarette, welche die schmalen, ringgeschmückten Finger hielten, zur Decke empor. Ein feiner, zarter, blauer Nebel hing über ihr in der Luft. Das schläfrige Parfüm des Tabaks, von dem man sagte, er sei doppelt kräftig, weil seine Blätter in den heiligen Fluten des Nils gebadet wurden, verbreitete eine schwüle Atmosphäre in dem Raum.

Mit wohlklingender Stimme erteilte Frau Miranda der Zofe ihre letzten Befehle.

»Sie können sich zu Bett begeben, Hanna. Ich bedarf Ihrer nicht mehr.«

Die Zofe nickte.

»Die gnädige Frau werden sich selbst entkleiden?«

»Ja.«

Die Zofe ging. Geheimnisvolle Stille herrschte in dem Zimmer, nur von Zeit zu Zeit durch das Rauschen der seidenen Röcke unterbrochen, wenn Frau Miranda eine unwillkürliche Bewegung machte.

Dr. David zitterte, als er zum ersten Male nach so langer Zeit der Frau, in deren Bann er schon als Jüngling geraten war, gegenüberstand.

Und sie sah ihn nicht!

Sie konnte nicht aufspringen und mit der ihr eigenen gebieterischen, kalt grausamen Bewegung nach der Tür weisen. Sie war ihm machtlos preisgegeben! Fühlte sie seine Gegenwart nicht? Nein! Sie ahnte nicht, dass er hinter ihr stand, dass unter seinem heißen Atem kleine Strähnen ihres Haares zitterten. Jetzt trat er vor sie hin und ließ sich leise auf einen Schemel nieder, auf dem sonst ihre Füße zu ruhen pflegten. Die blaue Seide, mit der der Schemel überzogen war, knisterte leicht, als die plumpe Gestalt Dr. Davids sich darauf niederließ. Unwillkürlich sah Frau Miranda auf und warf einen flüchtigen Blick nach jener Stelle.

Sie zuckte zusammen. Ihre schmale weiße Hand fuhr einige Male über die Augen, dann sah sie wieder hinüber.

Diese schöne Frau kannte keine Furcht. Aber in ihren Zügen malte sich unverhohlene Verwunderung.

Dr. David erschrak. Sah sie ihn?

Ein jäher Schreck durchzuckte ihn. Nicht um alles in der Welt hätte er die Vorteile wieder aufgegeben, die er errungen hatte. Er erhob sich und glitt, einem natürlichen Instinkt folgend, nach der dunkelsten Ecke in dem Zimmer.

Frau Miranda hatte den Kopf etwas zur Seite geneigt und war dann regungslos geblieben. Ohne Zweifel, sie hatte gehorcht. Ihr feines Ohr mochte die gleitenden Tritte vernommen haben. Als sie wieder den Kopf wandte, ruhten ihre Augen lange auf dem seidenen Schemel, als wollte sie sich vergewissern, dass sie vorhin geträumt hatte. Der scharfe, alles zergliedernde Verstand Dr. Davids begriff, dass er einen Fehler begangen, dass die Erfindung Albert Spielhagens, so glänzend sie war, ihre schwache Seite besaß.

Wohl war der Mensch, der sie benutzte, nicht sichtbar. Aber das Auge, das sich scharf auf einen Gegenstand heftete, vor dem der unsichtbare Körper des Betreffenden stand, erblickte noch immerhin einen Schatten, denn wenn der Körper auch nicht sichtbar war, so war er gleichwohl nicht durchsichtig, und aus diesem Widerspruch ergab sich die Möglichkeit, die Gegenwart eines unheimlichen Wesens feststellen zu können.

Albert Spielhagen hatte das auch, ohne sich dieser Tatsache klar bewusst zu sein, instinktiv empfunden und immer nach Möglichkeit dunkle Flächen ausgesucht, wenn er in eine Handlung eingetreten war. Dr. David dagegen hatte sich, von Bewunderung der Angebeteten berauscht, in das Licht gesetzt; es bedurfte mehrerer Minuten, bis Frau Miranda sich scheinbar das seltsame Phänomen des Schattens, der über den Schemel geglitten, mit einer augenblicklichen Verwirrung ihrerseits erklärt hatte. Sie lächelte flüchtig, während sie mit einer unnachahmlichen Bewegung das schwere blaue Haar aus der Stirn strich.

Dr. David wagte sich nicht aus dem Dunkel heraus, das ihn schützend umgab. So stand er, den Körper halb vorgebeugt, die Hände ineinander verschlungen, und sah immerwährend starr zu der Geliebten hinüber, die jetzt ihm gehörte, in deren Gegenwart er leben und atmen konnte, ohne dass sie selbst, ohne dass ihr brutaler Gatte die Macht und das Recht gefunden hätte, ihn von der Schwelle zu jagen.

Allmählich, während die Minuten verrannen, gewann Dr. David seine Sicherheit wieder. Das Glück, in Gegenwart dieser Frau leben zu dürfen, hatte für ihn etwas Überwältigendes in sich. Den Rest des Abends verbrachte er nur mit der Betrachtung ihrer Schönheit, mit phantastischen Reflexionen, die er an sie und an die wunderliche Situation, in der sie sein Eigentum war, knüpfte. Endlich erhob sich die junge Frau. Das blauseidene Abendkleid floss in weichen Wellen an ihrem Körper hinab. Es lag etwas Märchenhaftes in dem Rauschen, das jeden ihrer Schritte und jede ihrer Bewegungen umgab. Langsam, mit einem müden Gähnen, öffnete sie die nächste Tür und schritt in ihr Schlafgemach.

Hinter ihr, wie ein getreuer Hund, schlüpfte Dr. David über die Schwelle. Mit einem Sprung huschte er an dem Spiegel vorüber, der ihn verraten konnte. Zusammengekauert, wie ein abscheuliches Wesen, das nichts gemein hat mit den Geschöpfen Gottes, hockte er in einer Ecke, aus deren Dunkel sein großes, abscheuliches, schlüpfriges Auge heraus glühte.

Doch Frau Miranda sah ihn nicht. Ihre Hand glitt wie kosend über das Kleid, bis es mit leisem, diskretem Rauschen in den Teppich floss. In dem blendenden Weiß des Nackens, der aus sprödem Karrara gemeißelt schien, spiegelte sich die Flut des Lichtes. Das flüchtige Rosa, das die Haut der wundervoll gerundeten Arme durchschimmern ließ, verriet allein, dass dieser Körper nicht aus leblosem Marmor geschaffen war.

Frau Miranda schien die Pose zu lieben; sie bewunderte mit einem ästhetischen Sinn, der schon in der Schule den Menschen des dritten Jahrtausends gelehrt wurde, ihre eigene Schönheit, die Vollendung ihrer Formen, die Weichheit ihrer Linien.

Langsam streifte sie die letzten Hüllen von diesem göttlichen Körper; liebkosend schimmerten für Sekunden die rosigen, raffiniert gepflegten Nägel auf der samtenen Haut — dann erlosch das Licht.

Dr. David wagte nicht zu atmen. Und doch raste sein Herz; sein Blut wühlte durch sein Hirn, alle Nerven zitterten. Etwas wie brennender Schmerz hatte sich in sein Herz gekrallt.

Wohl eine Stunde verging, ehe er sich zu regen wagte. Gerade über Frau Mirandas breitem Lager hing der Reflektor. Er war nicht völlig geschlossen. Ein kleiner weißer Strahl glitt herab und huschte wie ein weißes Band über ihr Antlitz. Es war, als fielen in unaufhörlicher Reihenfolge weiße Rosenblätter auf das Lager, wo sie sich in das tiefe Blau der AtlasDecke schmiegten.

Längst drangen die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge Frau Mirandas an das Ohr des Lauschers. Vielleicht hatte Dr. David sich zu viel Kraft zugemutet. Er fühlte, dass eine furchtbare Schwäche ihn umfing, dass er sich erst an die neue Situation, an diese seltsame, unsichtbare Ehe gewöhnen musste. Entschlossen, nach Hause zurückzukehren, ehe er Gefahr lief, sich vielleicht zu verraten, vielleicht das Bewusstsein und damit die eigene Sicherheit zu verlieren, glitt er lautlos aus seiner Ecke hervor.

Einige Sekunden verharrte er vor Frau Mirandas Lager. Ach, er konnte es sich nicht versagen, nur ein einziges Mal, ein einziges Mal für alle Zeiten, seine Lippen, auf denen der Geifer der Hässlichkeit lag, gegen diese samtenen, korallenroten, purpurschimmernden Rosen zu pressen. Und während er seinem Herzen befahl, den Schlag einzustellen, während er krampfhaft den Atem zurückhielt, neigte er den zitternden kleinen Körper über die Schlafende und presste mit einer ungeschickten Bewegung, unkundig des Küssens, seine Lippen gegen die ihrigen.

Ein tiefer Seufzer entfloh Frau Mirandas halb geöffnetem Munde. Groß schlug sie die Augen auf — zu spät prallte Dr. David, zu Tode erschrocken, zurück.

Nur sekundenlang hatte Frau Miranda in dieses furchtbare, abscheuliche, dämonische, niederträchtige Auge geblickt. Es hatte über ihr gehangen wie eine giftige Spinne, dieses schlammige, schlüpfrige Auge. Es war erfüllt von der Hässlichkeit seines schändlichen Charakters, es stach förmlich durch die fahle Dämmerung.

Mit einem gellenden Angstschrei fuhr Frau Miranda in die Höhe. Sie sah, wie das Auge in der Dunkelheit zurückfuhr, wie es durch den Raum huschte, ohne sich von ihr zu wenden, wie es sich an sie klammerte, an ihr haftete, dass sie nach ihm fassen zu können vermeinte; sie sah es eine Weile an dem weißen Hintergrund der Tür hin und her gleiten — da wurde diese selbst aufgestoßen, und die Zofe eilte ins Zimmer.

Jetzt verschwand das Auge. Augenblicklich flammte das Licht auf, und das afrikanische Mädchen stürzte zu dem Lager ihrer Herrin. Dr. David, von Angst gepeitscht, entfloh und hielt nicht früher inne, bis das schwere eichene Haustor hinter ihm lag.

Frau Miranda aber war, zu Tode erschöpft, von krampfhaftem Schluchzen geschüttelt, in die Arme ihrer Zofe gesunken. Ein heftiges Fieber hatte sich augenblicklich eingestellt, und der Zermonienmeister des Hauses sandte einen Expressboten in das Parlament, um den Gatten der jungen Frau nach Hause zu rufen.


VII.

Dr. David hatte nicht schnell genug die klebrige Flüssigkeit von seinem Körper bringen können. Fast schauderte ihn selbst vor dem dämonischen Verhängnis, das diesem Stoff anhaftete. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm auf von dem Fluche des Bösen, das wiederum Böses gebären muss.

Als er die ZwölfUhrAusgabe des ›Reichsboten‹ in die Hand nahm, da las er bereits die Nachricht von der Hinrichtung Albert Spielhagens.

Ein Schauer schüttelte ihn. Welches würde sein eigenes Schicksal sein?

Er warf sich aufs Lager und verfiel in einen unruhigen Schlaf, der bis ins erste Morgengrauen währte. Dann wurde er aufgeschreckt durch das Klopfen seiner Wirtin, die, kaum, dass er zu antworten vermocht, seine Tür öffnete. Dr. David sprang vom Bett und hüllte sich rasch in einen phantastischen Morgenrock, der seine bucklige Gestalt verhüllte und nur das hässliche Haupt frei ließ.

Ein Herr war ins Zimmer getreten. Er war dunkel und einfach gekleidet. Man sah diesen markanten Gesichtszügen an, dass sie in ununterbrochener, ernster Arbeit sich vollkommen versteinert hatten.

Das kalte, graue Auge haftete starr auf Dr. David.

»Verzeihen Sie, dass ich so früh störe. Doch ich denke, Sie werden den Zweck meines Besuches ahnen und ihn darum entschuldigen. Mein Name ist Maxim von Hohenaar. Dieser Name, vermute ich, sagt Ihnen alles.«

Dr. David war schneeweiß geworden. Seine Lippen zitterten, ehe er eine Antwort fand. Während seine Augen wie geistesabwesend ins Leere blickten, entgegnete er:

»Sehr erfreut, Herr von Hohenaar. Immerhin — so hoch ich mir die Ehre anrechne, zu dieser Stunde Ihren Besuch zu empfangen — ich weiß nicht —«

Herr von Hohenaar legte den tadellosen Zylinder beiseite und strich langsam die Handschuhe von den kräftigen Händen.

»Wie?«, sagte er, so scharf, dass es wie eine Klinge Dr. Davids Nerven durchfuhr, »Sie wollen nicht wissen? Elender! — Haben Sie vielleicht noch den Mut, zu leugnen?«

Während dieser Worte glitt der Blick Herr von Hohenaars mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Verachtung, des Hohnes und einer leisen Verwunderung über die hässlichen Züge Dr. Davids und über seine verkrüppelte Gestalt.

»So weit ist es also schon gekommen«, setzte er hinzu, mehr zu sich selbst als zu Dr. David sprechend. »So weit haben wir es gebracht, dass teuflische Zwerge, nichtsnutzige Verbrecher die Kraft der Hypnose dazu verwenden, in die Heiligkeit der Ehe einzudringen und unglückliche Frauen zu beleidigen!«

Langsam begriff Dr. David, weshalb Maxim von Hohenaar bei ihm erschienen war. Ein Schauer schüttelte ihn. Von Natur aus feige, erschreckte ihn die Möglichkeit, dass dieser kräftige, robuste Mann mit Rachegedanken umgehen könnte, ebenso sehr wie das dunkle Geheimnis, das vorläufig noch die Entdeckung verhüllte, ihn verblüffte.

»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Herr von Hohenaar«, entgegnete er, mühsam seine Furcht verbergend. »Sie sprechen von Ihrer Gattin? Ich schwöre —«

»Schweigen Sie!«, entgegnete Herr von Hohenaar heftig. Man sah, dass er mit sich selbst kämpfte, um die äußere Ruhe, die er bis jetzt zur Schau getragen, zu bewahren. »Meine Gattin ist über jeden Zweifel und jede Niedertracht erhaben«, fuhr er fort. »Nur teuflische, schändliche Kräfte, die in letzter Zeit anfangen, Verbrechen und Unglück in die Herzen unserer Frauen zu tragen, ich sage, nur ein abgefeimter Schurke, der die Geheimnisse der Elemente sich dienstbar gemacht hat, konnte imstande sein, den frechen Mut zu finden bis in mein Haus zu schleichen.

Sie haben es gewagt, Sie missgestaltete, giftige Kröte, gestern um die Stunde der Mitternacht in meine Wohnung zu dringen. Elender, Sie haben mein Schlafzimmer betreten. Ich glaube, nicht erst betonen zu müssen, dass bis zur heutigen Mittagsstunde einer von uns beiden aus dem Leben geschieden sein muss.«

Also eine Herausforderung! Das dritte Jahrtausend war reich an merkwürdigen Duellen, die noch ungerechter waren als jene, welche im zweiten Jahrtausend von so vielen Seiten lächerlich gemacht worden waren.

Das Bewusstsein, dass es Dinge gibt, die vor dem Forum des Gerichtshofes nicht entschieden werden können, hatte sich in der deutschen Nation trotz allen Fortschrittes erhalten, ja, es bestand heute, wo die allgemeinen idealen und religiösen Grundsätze immer mehr in den Hintergrund traten, vielleicht noch stärker als ehedem, denn das Duell, die ritterliche Unterwerfung unter die Entscheidung des Zufalls, ein letzter Überrest des ehemaligen Gottesurteils, war der letzte, sicherste und festeste Stützpunkt der Ehrbegriffe.

Dr. David hatte eine Weile zu seiner Sammlung gebraucht. Blitzartig schoss es ihm durch den Kopf:

»Nur ein heimtückischer Zufall kann dich verraten haben. Diesen Zufall musst du leugnen. Dieser Mann kann keinen Beweis dafür erbringen, dass du gestern Nacht in sein Haus eingedrungen! Es ist unmöglich! Du bist unsichtbar gewesen, wie könnte er dir also nachweisen, dass du dich bei ihm aufgehalten hast?«

Diese Überzeugung verlieh dem Zwerg wieder etwas Mut. Indem er sich bemühte, eine feste Haltung zu zeigen, antwortete er:

»Ich kann Ihnen nur erwidern, Herr von Hohenaar, dass Sie sich durchaus täuschen. Welche Ereignisse es auch immer sein mögen, die Sie zu dieser falschen Annahme brachten, ich kann Sie versichern, dass Sie das Opfer eines Trugschlusses geworden sind.«

Sein Gegner lachte höhnisch und bitter auf.

»Wohl gesprochen, Zwerg!«, entgegnete er voll Brutalität, die Dr. David mit einem giftigen Blitz aus seinen Augen beantwortete. »Sie scheinen allerdings über merkwürdige Kräfte zu verfügen, Herr Dr. David, dass Sie es fertig bringen, vor den Augen einer Schar von Domestiken in fremde Häuser einzudringen. Nun, Ihr Geheimnis interessiert mich nicht, und ich werde auch nicht die Gerichte zu Hilfe rufen, um Näheres zu erfragen. Die Schande, die Sie mir angetan haben, soll zwischen mir und Ihnen begraben sein. Aber so geistreich auch Ihre Erfindung sein mag und so geschickt Sie sich dahinter zu verbergen wussten — mir scheint,  H e r r   D o k t o r  D a v i d,  d a s s  S i e  v e r g a ß e n,  a u c h  I h r e  S t i e f e l s o h l e n  u n s i c h t b a r  z u m a c h e n!«

Dr. David zuckte zusammen, als habe ihn ein Peitschenhieb getroffen. Unwillkürlich glitten seine Blicke zu seinen Füßen hinab.

In der Tat — wie hatte er nur so gedankenlos sein können! In die kompliziertesten Rätsel vertieft, hatte er das Einfachste und Naheliegendste außer acht gelassen!

»Sie sind verblüfft, nicht wahr?«, fuhr Herr von Hohenaar zu sprechen fort. »Ich habe die Spur Ihrer Schuhe bis in mein Schlafzimmer verfolgt. Ich sah sie draußen auf den Teppichen, ich ging ihnen nach bis zu meinem Haustor. Was sagen Sie nun dazu?«

»Dass es nicht die meinen sind«, entgegnete Dr. David mit frecher Ruhe, nachdem er sich wieder gefasst hatte. »Ich gebe vielleicht zu, Herr von Hohenaar, dass diese Fußabdrücke außerordentlich klein gewesen sind — ich könnte mir sonst nicht denken, wie Sie gerade auf mich verfielen — aber ich muss sehr energisch betonen, dass Sie sich durchaus täuschen!«

Maxim von Hohenaar sah seinen Gegner einige Augenblicke schweigend mit halb zusammengekniffenen Augen an. Ein Ausdruck unsäglicher Verachtung trat in sein Gesicht.

»Sie wagen also noch zu leugnen?«

»Verlangen Sie von mir, dass ich mich selbst durch eine Unwahrheit bloßstelle?«

»Sie verpfänden Ihr Ehrenwort?«

Dr. David, der nie viel von dem Kodex der menschlichen Gesellschaft gehalten, entgegnete, ohne zu zögern:

»Mein Ehrenwort.«

Ein heiseres Lachen war die Antwort.

»Sie verlangen Beweise, Sie Ehrloser?«

Dr. David zuckte von Neuem zusammen. Er wurde noch kleiner, als er ohnedies war; wie ein Hund sah er in die Höhe und flüsterte:

»Beweise? Sie können mir Beweise geben?«

»Ja! Kein Verbrecher ist schlau genug, dass er nicht eine Vorsicht unbeachtet ließe, Herr Doktor David«, entgegnete Maxim von Hohenaar, jedes Wort scharf betonend. Dabei griff er in die Brusttasche und zog eine Fotografie hervor.

Dr. David sah auf das seltsame Bild. Kalter Schauer überrieselte ihn. Er öffnete die Lippen, um zu antworten, aber er brachte keinen Ton hervor.

In der Tat — das Bild, das Maxim von Hohenaar Dr. David vor die Augen hielt, hätte in einer spiritistischen Seance des zweiten Jahrtausends grenzenloses Aufsehen erregt. Es stellte eine dämmerige Gestalt dar, einen Körper, dessen Umrisse in Nacht verschwunden, einen Leib, der selbst Nebel zu sein schien, dessen Form aber doch deutlich genug nachgebildet war. Diese Gestalt zeigte ohne Zweifel die Umrisse des buckligen, kleinen Dr. David; man sah, wenn auch nur angedeutet, den mächtigen Kopf, der fast ohne Verbindung auf dem abscheulichen Rumpfe saß. Was aber am Grauenvollsten an diesem Bilde erschien, das war ein riesengroßes Auge, das Auge eines Stieres, das diese nebeligen Gesichtsumrisse beherrschte, das förmlich aus der Fotografie hervorstach, das Auge eines Riesen und eines Verbrechers zugleich, das mit kaum fasslicher Deutlichkeit sich abgebildet hatte.

Diesem letzten Beweis konnte Dr. David keine Lüge mehr entgegensetzen. Das Auge verriet ihn! Eine unheimliche, dämonische Macht schien auf der Lauer gelegen zu haben, das Bild des unsichtbaren Menschen aufzunehmen, um ihn in der Stunde seines Triumphes zugleich zu vernichten.

Als Dr. David keine Worte fand, fuhr Maxim von Hohenaar fort:

»Ich denke, Sie werden jetzt nicht mehr den Mut finden, zu behaupten, ich sei das Opfer eines Trugschlusses. Sie haben vergessen, Herr Dr. David, dass fast an allen modernen Häusern sich über dem Haustore ein mechanischer Fotografenapparat befindet. Sie sind auf die verborgene Feder getreten, die diesen Apparat in Bewegung setzt, und wurden in dem Augenblick fotografiert, als Ihre verbrecherische Absicht Sie in meine Wohnung führte.«

In der Tat — obgleich Dr. David von dieser neuen, kunstvollen Einrichtung, dem Triumphe der modernen Technik, erst in den letzten Blättern gelesen, hatte er gleichwohl nicht an eine solche Möglichkeit gedacht. Dieser Fotografenapparat, der in unglaublich kurzer Zeit ein Bild auf die Platte zaubert, diese mechanisch entwickelt und in Minuten eine getreue Kopie liefert, war eine Vorsichtsmaßregel gegen das Verbrechen; denn das flammende Blitzlicht verständigte einerseits den Einbrecher, dass sein Bild bereits auf die Platte gezaubert war, während andererseits die vollendete Fotografie der Polizei bei einem verübten Einbruch ein unschätzbares Material für die Verfolgung des Verbrechers gab.

Zu gleicher Zeit hatte dieser Apparat den Vorteil, dass die Freunde des Hauses, die mit der geheimen Einrichtung vertraut waren, statt ihrer Visitenkarte ihr Bild zurückließen, wenn sie den Hausherrn und die Hausfrau nicht getroffen hatten.

Dr. David hatte die geheime Feder des Apparates in Bewegung gesetzt, ehe es ihm gelungen war, in die Wohnung zu gelangen. Da alle seine Gedanken nur auf seine Wünsche konzentriert waren, hatte er auch dem Aufflammen des Blitzlichtes keine weitere Beachtung geschenkt. Aber die Tatsache selbst, dass dieser Mann vor ihm einen solchen Beweis seiner Schuld in Händen hielt, war es nicht, was Dr. David vernichtete, was ihm die Tränen der Verzweiflung in die Augen trieb.

D i e  E r f i n d u n g,  d e r e t w e g e n  e r  e i n e  B l u t s c h u l d  a u f  s i c h  g e l a d e n  h a t t e,  w a r  n a h e z u  w e r t l o s! Wohl waren die Menschen, die sich ihrer bedienten, unsichtbar, wohl war das menschliche Auge unempfänglich für die geheimnisvolle Farbe — aber die fotografische Platte reagierte auf sie! Wenn sie auch nicht den Körper in seiner ganzen Deutlichkeit aufnahm, so reagierte sie doch auf die Gestalt, indem sie diese verschwommen wiedergab. Die unsichtbare Farbe wirkte auf die Platte als schwarzes Negativ, und die Kopie ergab eine weißliche, nebelige Figur.

Das war das Ende aller kühnen Hoffnungen und Träume Dr. Davids.

Blitzschnell dachte er weiter:

Wie schnell würde es der menschlichen Wissenschaft gelingen, die Fotografie zu solcher Vervollkommnung auszuarbeiten, dass sie nicht mehr undeutlich, sondern vollständig das Bild des unsichtbaren Menschen aufnahm. Mit diesem Augenblick besaß die Wissenschaft und die Kultur eine furchtbare Waffe gegen den unsichtbaren Menschen, gegen die er machtlos und wehrlos war. Nicht im Krieg und nicht im Frieden konnte das Geheimnis wirkliche Dienste leisten. Die fotografische Platte war sein erbarmungsloser und unerbittlicher Feind, gegen den ihm keine Mittel zu Gebote standen.

Was war diese unselige Erfindung, die nichts als Verderben säte, für Dr. David noch wert?

Nichts. Nichts als den Fluch, den er über sie, über sein Geheimnis und über sich selbst im Stillen aussprach.

Maxim von Hohenaar hatte einige Augenblicke gezögert, fortzufahren, da er offenbar eine Antwort von Dr. David erwartete. Als diese nicht erfolgte, sagte er, das Bild mit einer verächtlichen Handbewegung auf den Tisch werfend:

»Ich denke, Herr Doktor David, ich kann mich nun kurz fassen. Die Regeln des modernen Zweikampfes werden Ihnen bekannt sein. Wir haben die primitiven Gesetze des amerikanischen Duells übernommen. Ich habe die schwarze und die weiße Kugel bereits in der Tasche. Sind Sie bereit, auf diesen Zweikampf einzugehen? Zwei Herren meines Bekanntenkreises warten vor der Tür.

Bedienen Sie sich eines derselben als Ihres Zeugen, dann ist unsere Angelegenheit in weniger als einer Minute erledigt.«

Dr. David nickte geistesabwesend.

Ein Entkommen gab es nicht. Er fühlte, dass dieser Mann, wenn er noch eine Sekunde mit der Antwort zögerte, ihn ohne weiteres niedergeschossen hätte.

Maxim von Hohenaar machte eine leichte Verneigung und verließ das Zimmer.

Dr. David kam gar nicht dazu, über die ganze Angelegenheit nachzudenken. Er war vernichtet in einen Sessel gesunken und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen.

Darum also war er zum Mörder geworden! Eines Phantoms wegen, das für niemanden von Bedeutung sein sollte und konnte, eines Spielzeuges wegen, dessen man sich wohl nur im Spaß bedienen würde!

Darum ein Duell auf Leben und Tod!

Immerhin — es ließ ihm noch Hoffnung.

Die Ungleichheit der Erwerbsverhältnisse und die dadurch bedingte Schwächung vieler Individuen hatte mit der Zeit weit stärkere physische Gegensätze unter den Menschen hervorgerufen, als dies früher der Fall gewesen war. Man war daher davon abgekommen, ein Duell durch Waffen auszutragen, bei deren Handhabung sich die Chancen oft mehr als ungleich verteilten.

Man hatte zum Duell des Zufalls gegriffen, zum Duell des schwarzen und des weißen Loses.

Maxim von Hohenaar trat mit seinen beiden Freunden ein. Einer von ihnen stellte sich Dr. David zur Verfügung. Nachdem diese Formalität erledigt war, berieten die beiden Herren über die näheren Bedingungen.

Sie lauteten einfach wie gewöhnlich:

»Der Besitzer der schwarzen Kugel übernimmt die Verpflichtung, sich innerhalb zwei Stunden nach Austrag der Angelegenheit zu töten. Die Art des Todes bleibt ihm selbst überlassen.«

Dr. David nahm die Bedingungen an. Durch sein Hirn wälzte sich nur immer der eine ungeheuerliche Gedanke, der sich in ein einziges Wort zusammenballte:

Wertlos! Wertlos! Wertlos!

Einer der beiden Herren warf die Kugeln in seinen Zylinder, während die Duellanten sich so aufstellten, dass sie den beiden Sekundanten den Rücken kehrten.

Da der Beleidigte zuerst das Recht hatte, die Kugel zu ziehen, so griff Maxim von Hohenaar mit abgewandten Augen in den Hut und hielt die Kugel, welche er ergriffen hatte, fest.

Eigentlich war damit das Duell bereits entschieden; es war nur eine Formsache, wenn Dr. David gleichfalls in den Hut griff und die zweite Kugel in den zusammengekrallten Fingern barg.

Die beiden Duellanten kehrten sich nun um und wiesen den Sekundanten das Ergebnis des Duells vor.

Maxim von Hohenaar hatte die weiße Kugel gezogen.

Ein düsteres Lächeln glitt über Dr. Davids bleierne Züge. Obwohl er ein Verächter des Duells war, musste er die gerechte Entscheidung des Zufalls gleichwohl bewundern.

Maxim von Hohenaar sah ihn erwartungsvoll an. Kalte Entschlossenheit spiegelte sich in seinen Mienen.

»Ich werde innerhalb zwei Stunden gemäß der verrückten Bedingungen dieses Duells gehandelt haben«, schrie Dr. David.

Sein Gegner verneigte sich und verließ das Haus.

Kaum war Dr. David allein in seinem Zimmer, da warf er sich wie eine wütende Bestie auf die indischen Pflanzen. Seine Finger krallten sich in die Stängel und Blüten und zerfetzten sie in tausend kleine Stücke. Dann nahm er das Pulver und streute es zum Fenster hinaus in den Wind. Hierauf ergriff er das Gefäß, in dem sich der Rest der klebrigen Flüssigkeit befand und goss sie in einen Kübel voll Wasser, wo sie in fettigen Brocken auf der Oberfläche umherschwamm.

Dann riss er die Schublade auf, holte das Rezept hervor, auf dem Albert Spielhagen in vielen Jahren eifrigen Studiums die Zusammensetzung des Geheimnisses aufgezeichnet hatte, und zerriss das Papier, bis nichts mehr davon übrig war als winzig kleine Stückchen, die kein Mensch mehr hätte zusammenfinden können.

Dr. David schleuderte auch diese zum Fenster hinaus, und der Wind trug sie fort wie kleine Schneeflocken, welche die Berliner Generation nur aus der Überlieferung kannte.

Nachdem er dieses Vernichtungswerk beendet, machte er seine letzten Aufzeichnungen. In seinem großen, abscheulichen Auge lag der Ausdruck des unergründlichsten Hasses gegen die Menschheit, den Himmel und gegen sich selbst. Endlich — der Zeiger der Uhr hatte zwei Mal die Runde gemacht — war er mit seiner besten Arbeit zu Ende. Er erhob sich und trat an das entgegengesetzte Ende des Zimmers. Seine gelblichen Lippen murmelten einen entsetzlichen Fluch über diese Erfindung, ehe er zur Ausführung seines Versprechens schritt. Endlich stellte er den elektrischen Strom ab, der in einem feinen Kupferdraht, durch eine Aluminiumröhre geschützt, an der Ecke der Wand empor lief. Er schnitt die Aluminiumhülle durch, löste das Ende des Drahtes aus, zog ihn durch eine Schraube, die an der Wand befestigt war, und formte eine Schlinge.

Dann rückte er einen Stuhl unter die Schraube und legte den Kupferdraht um seinen Hals. Zu gleicher Zeit sprang er vom Sessel und ergriff geschickt den Drücker, der den elektrischen Strom einschaltete.

Eine Sekunde später hatte Dr. David geendet.

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Editorische Hinweise des Verlegers

Den Nachdrucken liegen die Erstausgaben zugrunde. Die Texte wurden auf die seit 1996 geltende und danach oft geänderte »neue deutsche Rechtschreibung« umgestellt. Hierbei wurden offensichtliche Rechtschreib- oder Drucksatzfehler stillschweigend berichtigt. Im Übrigen ist der Text aber unangetastet geblieben.

Die farbigen Umschlagbilder der vier Originalbände wurden von Julius Schlattmann (* 1857 in Borken i. W.) gezeichnet. Der Illustrator, der vor allem für den Weichert-Verlag tätig war und dort neben der Charles-Dickens-Werkausgabe auch die Neuausgabe von Werken Jules Vernes illustrierte, war noch lange nach dem Ersten Weltkrieg tätig. Ab dem Ende der 1920er Jahre verlieren sich aber seine Spuren. Das Todesjahr konnte nicht ermittelt werden.

Abschließend bedanke ich mich für die geleistete Vorarbeit bei Eric Hantsch, für die Korrektur und vor allem den umfangreichen Beitrag(*) über Robert Heymann bei Lars Dangel und für die Unterstützung durch Informationen, Bilder und ebenfalls Korrektur bei Gerd-Michael Rose. Sie alle haben dazu beigetragen, dass die Romane und auch das Leben und Wirken des Verfassers wieder in Erinnerung gerufen werden konnten.

(*) Aus urheberrechtlichen Gründen wird dieser Beitrag in den RGL-Ausgaben der vier Romane weggelassen.

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ENDE


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